Karsten Müller
Singer und Songwriter

Über mich...eine etwas längere, musikalische Kurzgeschichte...

 

Meine frühesten Erinnerungen haben mit Musik zu tun. Sie war da solange ich denken kann. Nicht so sehr im Vordergrund, keine ständige Dominanz, doch immer auch ein Teil von allem. Auch ein Teil der Familiengeschichte. Genauso wie die Malerei, das Phantasievolle, das Andere, die Ideen, die wunderbare Vielfalt. 

Meine Mutter hatte meinen Vater beim Gitarrenunterricht kennengelernt. Mein Vater war der Lehrer, ein stattlicher junger Mann der Wandergitarre unterrichtete und meine Mutter als bildhübsches junges Mädchen, die mit einer Mischung aus Bewunderung und stiller Peinlichkeit, ob des Altersunterschiedes zwischen den beiden, ich glaube 15 und 20 oder 14 und 19, etwas in der Art, zu ihm aufsah. Mein Vater, war der „Künstler“ in der Familie, tatsächlich und auch selbsternannt, gewünscht und erhofft, vllt ein wenig vom Leben vermeintlich oder tatsächlich darum betrogen, ständig darum bemüht diesen, für ihn so wichtigen, Status zu leben, zu erhalten und so benannt zu werden. Er spielte auch Geige, wohl leidlich passabel, gut genug um eine Hoffnung der Lüdenscheider Musikschule gewesen zu sein und auf Partys, er war ein beliebter Gast, den einarmigen Geiger zur Belustigung aller zu mimen. Ich habe bis heute nicht verstanden wo der Witz wohl gewesen sein mag. Meine Mutter spielte Akkordeon, später Wandergitarre mit einem klaren Sopran begleitet, so hoch, dass niemand gesanglich folgen konnte und gemeinsames Singen selten sehr gut klang. - So spielte ich auch Geige -

Wenn es einen musikalischen Werdegang gibt, eine musisch/künstlerische Entwicklung, so mag sie wohl hier Ihren Ursprung haben;-)) Nach dem klassischen und in den 70ern obligatorischen Besuch der musikalischen Elementarschule, in einer Zeit in der beinahe jeder Anzeichen von Genialität aufzuzeigen schien, entschied ich mich, wie konnte es anders sein, dem Beispiel meines Vaters zu folgen. Nach dem klassischen und in den 70ern obligatorischen Besuch der musikalischen Elementarschule, in einer Zeit in der beinahe jeder Anzeichen von Genialität aufzuzeigen schien, entschied ich mich, wie konnte es anders sein, dem Beispiel meines Vaters zu folgen.              

                        

Die Geige kann ein grausames und gnadenloses Instrument sein und fordert vor allem dem Zuhörer, der gezwungen ist dem Anfänger zu lauschen, eine extreme Nervenstärke und einiges an Wohlwollen ab. Diese Erfahrung bestätigte sich einige Jahrzehnte später erneut bei meinem eigenen Sohn Nicola, der treu der Familientradition folgend, gegen meinen ausdrücklichen Ratschlag, das Instrument in der Schule während der JeKi-Initiative (Jedem Kind ein Instrument) erlernen wollte, es jedoch zu unser aller Glück und ohne Bedauern ausklingen ließ. 

Es folgten einige Jahre der Auseinandersetzung, wenig erfreulichen Übungsstunden mit einem ungeduldig und genervten, im Vergleich, mit nahezu genial/virtuosen Fähigkeiten gesegnet und ausgestattetem Vater, obligatorischen Aufführungen und Weihnachtskonzerten, an denen lediglich die Eltern Spaß zu haben schienen und unwilligen täglichen Übungseinheiten, die ich ständig zu verkürzen suchte. Ich kann mich erinnern und es gibt einige nette verklärende Bilder in unseren Familienalben, dass unser Wellensittich Coco mein Spiel liebte und während er verzückt auf meinem Notenständer saß, selbstvergessen meine Noten anknabberte und somit final signierte. 

Mit der Entdeckung, dass Mädchen nicht nur ätzend und Musik nur bei Filmen und elterlichen Partys notwendige Fills waren, auf denen nach Showaddywaddy, Boney M und Abba Jazz-Tanz in unterschiedlicher mäßiger Qualität fremdschämend aufgeführt wurde, entdeckte ich - die Beatles und die immer da gewesene - Akustikgitarre. Die Beatles und das Beatles Complete, jenes legendäre Songbook mit dem psychedelischen Cover, die erste Seite mit dem Bild der Sexy Sadie, das mich erröten ließ und deren Profil mich begleitet. Über den Noten und den Texten waren Akkorde aufgezeichnet, ich konnte die Fingersätze auf die Gitarre übertragen und sie spielen, das war wie ein Wunder und nach und nach und ganz langsam, waren sie dann da – die Songs und der Gesang. Ich entdeckte beides gleichzeitig in dieser wundersamen neuen Welt, da war ich 13 Jahre alt im Jahre 1979 . 

Manchmal mutet es seltsam an über einen Zeitraum von Jahrzehnten zu sprechen, wenn man sich innerlich so weit von der tatsächlichen Zahl der Jahre, seines eigene Alters wähnt. Es sei denn, dass man sich gelegentlich bewusster im Spiegel betrachtet und mit einer gewissen Verwunderung, einer Art wehmütiger Melancholie und einem vagen Bedauern, die Frage stellt, wer denn nun eigentlich der ältere Herr ist, der einen so fremd vertraut mustert. Egal was auch immer in den folgenden Jahrzehnten passierte, einiges davon wurde von mir in Skulptur, Bild, Song und Text beschrieben, die Gitarre und das Singen und das Schreiben, verließen mich nicht mehr, waren immer mein Begleiter, spendeten gleichermaßen Trost und Zuversicht, Freude und Euphorie, teilten Trauer und Glück, Liebe und Leid.Es ist kaum möglich, seine musikalische Geschichte ohne ein gewisses Maß an Pathos zu formulieren, ein gewisses Maß an Gefühl, eine sich durch die Jahre selbst verändernde Geschichte, eine lebendige Erinnerung, mit unterschiedlichen Wahrheiten, je nach dem zu welchem Zeitpunkt und mit welchen Augen man diese momentan betrachtet und erzählt.  

Es gibt hier keine versponnene spleenige Idealisierung, vermeintlicher Schaffenskraft und zwanghaftem Ausdruckswillens. Keine verschrobene Geschichte übermächtiger Kräfte, die einen zu nächtlicher Stunde dazu zwingen, die intuitiv und einzigartig hervorquellenden Gedanken und Erlebnisse zu formulieren, die den geplagten Geist sonst zu sprengen drohen. Kein Mythos überfließender Gefühle und essentieller, weltbewegender Erkenntnisse, die sofort und augenblicklich, gleichsam wie von fremder Hand geleitet, in Skulptur und Musik ausgedrückt werden müssen. Kein künstlerischer Zwang oder von Musen geleitete Inspiration, die den kongenialen, rastlosen Geist, den Meister mit den magischen Händen, dazu treibt rastlos sein endloses Werk zu tun.Nichts davon ist wahr - und doch stimmt alles. 

Es gab einen ersten Auftritt. Natürlich gab es den. Unspektakulär. Wenig vielversprechend. An meiner damaligen Schule dem Gymnasium in Hochdahl, wohin meine Eltern mit mir hingezogen waren, nachdem wir dort ein Haus kauften und Düsseldorf den Rücken kehrten. In der Schulaula mit zwei Klassen- oder Kurskameraden, so genau weiß ich das nicht mehr, auch nicht mehr die Namen, Michael und Martin?glaube ich, Klavier und Gitarre. Beide hatten seit Jahren Unterricht und waren in meinen Augen überragend gut, so dass ich mich wundere, wie wir zusammen kamen. Über Michael(Gitarre)glaube ich, dessen Vater evangelischer Pastor in Hochdahl Sandheide war, über irgendetwas Kirchliches, wo Jugendliche sich trafen, sehr harmlos, sehr bieder, sehr christlich. Ich vermute,  mangels einer gesanglichen Begleitung. Jedenfalls hatte ich den Gesang lieben gelernt und wenn er vielleicht anfänglich auch nicht durch Technik, Finesse und Tonsicherheit überzeugen konnte, so machte ich diese Mängel wohl mit sehr viel Enthusiasmus mehr als wett. Der Anlass bleibt, wie vieles an diesem Nachmittag, in meiner Erinnerung verschwommen. So weiß ich wenig mehr über das Aussehen des Raumes, die Anzahl der Zuschauer, beides in meinem Gedächtnis vermutlich überdimensioniert und in ein assoziativ hinzugefügtes Lichtermeer gekleidet, das unmöglich der Realität entsprechen kann. 

Vermutlich ist auch das Ausmaß der erlebten Schmach ebenso überproportional vergrößert. Selbst in späteren Jahren, sehr viel später, konnte ich mich nicht ohne Rot zu werden mit erhöhtem Herzschlag und zunehmender Hitze an diesen Augenblick erinnern, als wir wir vor unseren ersten Auftritt standen. Er wurde, so vermute ich aus eigener langjähriger Erfahrung, vermutlich schulmäßig unbeholfen, hackelig und pseudoprofessionell, von einem sich dazu berufen fühlenden Lehrer (jede Schule hat viel solch berufener Lehrer) anmoderiert, worauf wir stolz, mit bis zum Hals schlagenden Herzen, nach Luft schnappend zu dem vor der Bühne postierten Flügel (ich bin sicher da war einer, beschwören möchte ich es nicht) schritten und uns in Position stellten. Bis dahin, war alles so, wie ich es mir gewünscht hatte und so sollte es sein, das Leben als gefeierter Rockstar und dann geschah – Nichts! Bis heute verstehe ich nicht was passiert war, wir fingen an zu spielen und ich brachte weder Ton noch Laut hervor und verharrte in untätiger, lebloser Starre, von der mich dann meine Mitmusiker erlösten, die einsprangen und dieses Fiasko mit unfassbarem Mut und wenig Können, beendeten. Bis heute ist mir das Lampenfieber ein immer treuer Begleiter geblieben, das mich in meinen frühen Jahren mit solcher Macht packte, so sehr bedrängte, so machtvoll überkam, dass ich schon Tage im Voraus vibrierte, chronisch heiser war und es mich so sehr einnahm, dass ich mir sehr oft ernsthaft die Frage stellte, warum ich mir das eigentlich antue und ob diese Qualen, denn das waren es, Qualen, das denn alles wirklich wert waren. 

Bis zum ersten Ton war es schrecklich, furchtbar und mit diesem fiel wie von Zauberhand jeglicher Zweifel und jegliche Furcht von mir ab und ich konnte in das wundervolle, einzigartige Erleben eintauchen, das alles mehr als rechtfertigte, ja, jegliche Erinnerung an das Schreckliche auslöschte. Meine Verdrängung funktionierte damals gut und so vergaß ich schnell. Doch immer wieder einmal lugte dieses Bild zwischen all den Ereignissen hervor und erst vor gar nicht langer Zeit, konnte ich von ganzem Herzen Frieden mit dem kleinen Jungen und seiner liebenswerten, tief verwurzelten, verzweifelten Angst vor dem Versagen Frieden schließen. 

So viele Jahre, so viele Auftritte und so viele Fehler später bin ich für diese Erlebnis dankbar, dass mich, gewiss ein laienpsychologischer Erklärungsversuch, es zumindest immer versuchen ließ, Dinge zu probieren, trotz Zweifels und Unsicherheit, trotz Selbstüberschätzung und mangelndem Könnens, oder Wissens. Ich hätte viel verpasst, wäre ich immer nur auf Nummer sicher gegangen. 

In den kommenden Jahren ging das Leben seinen gewohnten Gang, mit den üblichen Ereignissen und Erlebnissen, den Hürden und Hemmnissen im Leben eines jungen Menschen, während die Musik in mir wuchs. Viele Jahre mit meinem heute noch lieben, engen Freund Alex, in dessen Elternhaus wir unseren ersten Proberaum einrichteten. Alex spielte Schlagzeug, im Jazz-Style in Anlehnung an das Vermächtnis seines Vaters, seines Zeichens ehemaliger Trompeter und Schlagzeuger, Architekt, der sich selbst ausgesprochen gut leiden konnte und von sich und seinen musikalischen Fähigkeiten, bis heute überaus überzeugt war und ist. Ich E-Gitarre, auf einer Horten (ehemaliges Kaufhaus) im rötlichen Sunburst lackiertem Archtop E- Gitarre, die mir mein Vater, zu meiner Freude, als Komplettset mit Verstärker, Kabel und Gurt geschenkt hatte und Gesang. Ich spielte wann und wo immer ich konnte und meine Gitarre und meine Gesang hinpassten, lernte neue Musik kennen, neue Musiker oder die, die es werden wollten und immer hatten wir auch das aus Freunden, Schulkameraden und Bekannten rekrutierte Publikum im Proberaum. 

Dann änderte sich alles. Das besinnlich/glückliche und ruhige Kleinstadtleben, das lediglich getrübt von meiner Schulunlust und deren Folgen war, wich im Laufe der Trennungsjahre meiner Eltern einer bedrohlich ungewissen Zukunft. Einen Auftritt zur Entlassfeier der Realschule später, ich war mittlerweile degradiert worden, fand ich mich mit meiner Mutter in Wuppertal wieder, da sie dort in einer Erziehungsberatungsstelle arbeitete und ich mich entschlossen hatte, mittlerweile sechzehn, mit ihr zusammen zu leben. Neues Gymnasium, jetzt wieder aufgestiegen, neue Umgebung, neues Terrain, neue Menschen, Lehrer und jede Menge musikalischer Möglichkeiten. Es passierte viel in dieser Zeit. Ich lernte viel. Nicht in der Schule, eine unvermeidliche Last und eine Pflicht, die mir immer schwieriger fiel, sie zu erfüllen. Wann hat diese einem jemals wirklich etwas von Lebensbelang beigebracht oder vermittelt. 

In meiner Erinnerung verschwimmen viele Ereignisse und da ich mir Eckdaten, Geburtstage, Telefonnummern (heute nicht mehr nötig und während ich dies schreibe, durch die Zeit reise, was mich sehr aufwühlt, merke ich, wieviel und wie immens sich die Dinge verändert haben. Insgesamt, nicht nur technisch, so substanziell und allgegenwärtig) immer schon sehr schlecht merken kann und konnte, so ist auch die Zeit meiner Jugend und als junger Erwachsener in Wuppertal schlecht zu datieren und ich lasse es vorbeifließen, fasse Ereignisse zusammen. Mit zu den wohl schönsten und wertvollsten Momenten die man miteinander haben kann, gehören Zeitreisen. Das gegenseitige Schwelgen in geschehenen und gemeinsam erlebten Momenten, das sich Ergänzen, das Ausfüllen der Erinnerungslücken des anderen, das komplettieren eines Bildes, das voller surrealer Realität, alles in einem neuen, funkelnden Licht erscheinen lässt, einem gerade wieder erneut empfundenen Erleben, das darin seinen Höhepunkt findet, beinahe atemlos innezuhalten und ob der Fülle und Pracht des Geschauten, beinahe ehrfürchtig zu verharren und demütig das Haupt zu neigen. 

Ich liebe es und es hat wenig mit einem in der Vergangenheit verweilen zu tun, etwas, das vielleicht zu einem späteren Lebenszeitpunkt häufiger der Fall sein könnte und warum auch nicht, was kann schon falsch daran sein, wenn man beizeiten an einen, für einen selbst, besseren Ort flüchtet, sondern mit einem Bewusstwerden dessen, was das Leben unter anderem so kostbar macht. Erinnerungen sammeln, scheint viel mit Quantität zu tun zu haben. Es gleicht oft dem Abarbeiten einer To-Do-Liste der 1000 Sehenswürdigkeiten und must- haves- before- you -die. Etwas, das mich mit stillem Amüsement erfüllt, das ich liebevoll belächele, sowie die, einer Fahne folgenden, Touristenhorden, die auf der Piazza della Signoria in meiner Lieblingsstadt Florenz, die Wunder dessen was sie in solcher Fülle umgibt, durch die Kamera und ihr Handy wahr nehmen und das was direkt vor Ihnen seine greifbare, atemberaubende Pracht entfaltet, blind ignorieren. Ich schweife ab. 

Die ersten Jahren waren eher rastlos. Ich war noch sehr jung und das Erlebte musste, unerfahren, ungefiltert und tatsächlich unerlebt, seinen Raum finden, sich seine Bahn brechen. Ein Ventil waren destruktive und langjährige, selbstzerstörerisch anmutende Verhaltensmuster und Strukturen, die sich im Laufe vieler Jahre verloren, abschliffen und verflüchtigten, manche hartnäckig bis in die jüngste Jetztzeit bleibend, verzerrend, einem illusionistischen Spiegel gleichend, der die wahre Natur dessen was da ist, verformt und das Gesehene als wahr darstellt. Die Musik und alle darin verwobenen Wünsche und Träume, waren ein Anker, der vieles in einem fragilen Gleichgewicht festhielt. Fragil, weil diese nicht wirklich in Einklang mit den reellen Gegebenheiten standen, nicht stehen konnten und auch nicht müssen und sollen. 

Visionen, egal wie unrealistisch sie scheinbar sind, sollten gelebt werden, nicht totgeredet, mit ermüdender Sachlichkeit zerörtert, mit Realismus begraben, mit enervierender Vernunft objektiviert und moralisierender Borniertheit in den banalen Sumpf der Gewöhnlichkeit degradiert werden. Sie sollen und müssen hell strahlen, ein wegweisender, leuchtender Stern der flirrenden, gleißend, überquellenden Lebenslust sein, die vibrierende Freude aller Sinne vereinen und die Euphorie, die reine, pure und leidenschaftliche Bejahung des einen großen und endlichen Wunders in sich vereinen, dieses umfassend und an sich ziehend, um es nicht mehr loszulassen. Zertrümmert wird es von ganz alleine! 

Soviel greift die Träume an, namenlos sind die Feinde dessen, was diese zerkaut und ausspuckt und Legion die  Elemente, die mit direkter, zerstörerischer Kraft und subtiler Unterwanderung jene zu vernichten drohen. Es ist nicht leicht dieser fortschreitenden Zersetzung standzuhalten. Dem Zerfall Einhalt zu gebieten, der mit Zeit und Muße arbeitet, langsam und stetig die Substanz dessen aushöhlt, was als festes Fundament erschien. Es erfordert viel Sorgfalt, Beharrlichkeit, auch ein gewisses Maß an Sturheit und Ignoranz, diesem zu trotzen. Und Achtsamkeit. Und Liebe, vor allem diese. Selbstliebe. 

Das sind philosophische Betrachtungen und in jungen Jahren war ich weit davon entfernt Mechanismen, jedweder Art zu durchschauen. Wie auch. Nun, ich lernte Musiker kennen, ich weiß ehrlich nicht mehr wann und wo, vllt fällt es mir noch ein, oder aber ich finde es noch heraus und dann werde ich mich korrigieren und diese nachreichen. Ach doch, natürlich, wo sonst als in der Schule, dem Gymnasium Sedanstraße in Wuppertal. 

Ein sich selbst als humanistisch deklarierendes Bildungskonstrukt, Ideen und Wissen verkaufend, die auch schon vor nunmehr über 38 Jahren nur mühsam mein Interesse wecken konnten und einen dem Leben gegenüber ähnlich ratlos gegenüberstehen ließen, wie die, die es denen vermitteln sollten, die dringend praktischen Rat bedurften. Nein, ich werde mich nicht an dieser Stelle darüber auslassen, was ich von der Schule in der traditionellen Form halte, die sich im Kreis drehend, sich selbst ad absurdum führend, sich selbst überlebend und vom Leben ausschließend, halte. Auch nicht, dass ich selbst Lehrer geworden bin. Irgendwann und es liebe, das zu tun, was ich tue. An dem Ort an dem ich bin. Wo ich auch hingehöre. Auch. Dort lerne ich Mark Rosetta, Schlagzeuger und ein sehr guter, Ingo Mayer, ein großartiger Gitarrist, Ossi Middelhove, Bernd Rhode und Co kennen und die Proberäume. Die echten Proberäume! 

Die teuer verscherbelten, in nasskalten Kellern, abgewrackter Gründerzeitfabriken platzierten, die man durch schummrig  beleuchtete mir Pfützen und Schimmel durchzogene Gänge, dicht aneinander gereiht finden konnte. Ein Vermögen, teuer und liebevoll gemütlich gemacht in einem Rockstyle, der mir noch heute so vertraut ist, das ich ihn riechen, fühlen und schmecken kann. Ein ständiges Stromversorgungs- und Sicherungsfiasko, das sich regelmäßig dann kund tat, wenn die Marshall Amps auf die Standard Potieinstellung gestellt wurden. Denn Marshall musste es sein, zwar gab es die, die anderer Meinung waren, diese Freaks, aber nur wenige, zur damaligen Zeit. Ich redete mit, innerlich über technische Fragen jeglicher Art bis heute zutiefst gelangweilt und völlig unkundig, peinlich unkundig. Ich redete über den Vorzug von Sennheiser Mikros( was für Tucken und Weicheier) gegenüber dem des überragenden, schon damaligen Klassiker, dem Sure SM 58 Mikrofon (was für Männer und echte Rocker), über den Vorzug von Fender E-Gitarren, Gibson, Kramer und Co, über Laney, Pevey, Mesa boogie, Marshall und Hugh&Kettner, Ibanez Overdrive Effekt oder Lölölö Chorus. 

Die Proberäume rochen nach schalem Bier, das überall herumstand und lag, je nach Bandcharackter und Frequentierung der Räume, die nicht nur der Ort, der Phantasien und Kreativität waren, sondern alles in sich vereinten, was die musikalische Quintessenz darstellt. Das beinhaltete, was unser, mein Leben ausmachte, ein Mikrokosmos der Wünsche und Begehrlichkeiten. Die Songs entstanden aus dem Spielen heraus, wurden mitgebracht, immer deutlich von dem beeinflußt, was gerade gehört wurde, welchen Stil man neu entdeckte, welche Kassette gerade die Runde machte, welche Platte gehört und was im Metal Hammer berichtet wurde. Es gab hervorragende, talentierte Musiker, lokale Legenden, Matadoren, die die örtlichen angesagten Lokalitäten bespielten. 

Es gab viele musikalische Dilettanten, die mit viel Engagement und wenig Talent vor sich hinkrebsten. Es gab viele, in mäßigen Combos spielende und diese überstrahlende, herausragende Solisten, die sich aus Loyalität und dem Traum der gemeinsamen Karriere nicht lösen wollten und schließlich Fleischereifachverkäufer wurden und ihren Traum zu Grabe trugen. Ich habe keinerlei Dünkel gegenüber Fleischereifachverkäufer*innen, Einzelhandelskauffrauen und Männern, Akademikern, Handwerker*innen, Altenpfleger*innen, es war nur das erste, was mir aus der Erinnerung an eine bestimmte, mit Dünkeln behaftete, ehemalige Fleischereifachverkäuferin, in den Sinn kam. Ich glaube lediglich gegenüber Beamten*innen habe ich eine leichte Antipathie, gepaart mit einem vagen Mistrauen, nicht so sehr den Menschen, als dieser, in den meisten Fällen, sozial so ungerechten und völlig unzeitgemäßen Institution, gegenüber geschuldet ist. 

In der Erinnerung und eingebunden in mein jetziges Leben wird mir klar, warum die Jugend die Zeit ist oder sein kann, in der man sich ganz und gar, mit Herz und Seele einer Sache verschreiben kann, rücksichtslos und ausnahmslos.Ich habe den Luxus, Zeit zu haben, viel Zeit mich mit meinen Leidenschaften, meiner Musik, Skulpturen, Malereien und dem Lesen widmen zu können, ohne andere Dinge, ebenso wichtige, wie Freundschaft und Familie, ernsthaft zu vernachlässigen. Ich bin mir dieses Privileges sehr deutlich bewusst und habe dafür sehr konsequent gearbeitet und gelebt. Ich bin sehr dankbar dafür. Opfer erbracht sagt man wohl. Die waren wohl auch dabei, wer musste das nicht. Und Glück, sehr, sehr viel Glück! Ohne das geht es nicht, nie und nirgendwo und zu keiner Zeit! Und ja, natürlich waren einige Erfahrungen sehr, sehr schmerzhaft, isolierten und machten einsam, unverstanden, ließen mich verloren und orientierungslos, weit entfernt von irgendeiner Mitte, haltlos im Raum taumeln. Entzogen mir den Boden, der ohnehin ständig zu schwanken scheint, kaum das sich ein Erdstoß beruhigt und man das Service neu aufgedeckt hat. Ließen mich, nackt und allein, ausgelaugt und ausgeblutet zurück, Bruchstücke, diese wieder zusammen zu setzen, um sich erneut zu finden, zu erfinden, zu erschaffen, um besser, stärker, den wiederkehrenden Unbillen, den Lebensgezeiten zu trotzen. Für eine kurze Zeit kann man dann aufatmen. Verharren. Kraft tanken. Atem holen. Ruhen. 

Im sich immerzu drehenden Karussell, das irgendwann einsetzt, im Kindergarten, vorher, immer?, verliert sich die Freiheit der jugendlichen Leichtigkeit und weicht dem erwachsenen Sachzwang des Muss und dem Soll, den Normen und den Dinen. Sicher beginnt das Kreisen um das vermeintlich Überlebensnotwendige immer dann, wenn bewusst das einsetzt, was Erziehung genannt wir, wenn die eigene Normen, Richtwerte, Glaubenssätze, Denkansätze, Muster, Strukturen und Überzeugungen beginnen, deutlich auf die unbefleckte, jungfräuliche Leinwand einzuwirken. Das ist natürlich sehr stark heruntergebrochen und während ich das schreibe und lese, höre ich in meinem Kopf die vielen Einwände, die mich der Vereinfachung zeihen. Auf jeden Fall kann man nur ohne, beinahe jegliche ernsthafte Verpflichtung, ohne Druck, seine Zeit so ausnahmslos in ein Projekt stecken und ist so frei dieses zu tun, wenn weder Karriere, eigene Familie, Kinder, Freund oder Freundin, einem irgendeine, wie auch immer geartete, Fessel überstreifen. Hindern. Blocken. Hemmen. Mit „the sheep“ verbrachten wir etwas später, endlose Stunden im Proberaum. Mehrere Tage in der Woche. Gefühlt. Alle zusammen. Auch die Freundinnen. Der gemeinsame Glaube an das große Ding, den Durchbruch, das Durchstarten, war so gewaltig, dass jeder Zweifel erblasste und alles unüberwindbar schien. Man selbst überlebensgroß und übermächtig stark. Es war im Grunde völlig klar, dass es passieren würde, nur noch nicht genau wann. In wieweit hier meine Erinnerung durch die vielen dazwischen liegenden Jahre vergoldet wird, vermag ich nicht zu beurteilen, ich glaube aber, dass die Grundstimmung tatsächlich meiner Beschreibung entspricht. In diesen Gemäuern verbrachte ich einen großen Teil meiner Zeit. Dort lernte ich auch einige Musiker kennen, die mich noch lange begleiten würden, über die sich wiederum neue Kontakte knüpften, die zu vielen interessanten musikalischen Projekten, langen Freundschaften und in dieser Folge, auch zu großartigen Songs führen sollten. 

Es ist eine gewagte Sache seinem Gedächtnis zu vertrauen. Es ist auch ein wenig frustrierend festzustellen, dass man oft ohne Hilfe von daran beteiligten Freunden, einen chronologischen Ablauf kaum noch rekonstruieren, geschweige denn, sich tatsächlich noch an alles erinnern kann. So verschwimmen die Personen und Namen, die Ereignisse und Abläufe doch sehr in meiner Vorstellung dessen, was ich als meine vergangenen Erlebnisse und Erfahrungen meiner Realität empfinde. Wie real ist das damals Gelebte wohl tatsächlich aus der heutigen Erinnerung betrachtet und wie sehr von dem beeinflusst, was ich bin und und mit welchen Augen ich die Welt heute sehe? Es ist interessant und doch auch verwirrend und beunruhigend diesem Gedanken zu folgen, relativiert er doch sehr den Wert dessen, was mir als meine eigene Wahrheit und Wirklichkeit erscheint. Die Möglichkeit, die Welt ein Leben lang, seine Welt, wie durch eine immer verschieden gefärbte Brille zu betrachten, zusätzlich verschleiert und eingewoben in die unzähligen, bunten Erzählungen unserer und aller Zeiten und nicht die wahre Form dessen, was wir sehen zu erkennen, ist zutiefst verunsichernd. Möglicherweise werden wir nie die tatsächlichen Farben und Formen, deren Pracht und Fülle wahrnehmen, immer geblendet und getäuscht, von unserer surrealen Wahrnehmung dessen, was uns wirklich und wahrhaftig erscheint. Vielleicht bewegen wir uns ständig in einer Art von Zwischenwelt, die uns wie durch eine milchig, verschwommene Membran von den relevanten Dingen des Lebens, den wahrlich tiefen, bedeutsamen Wahrheiten trennt. Einem Nebel gleich, der manchmal aufreißt und uns den Blick auf eine sonnendurchflutete Landschaft gewährt, bevor sich dieser wieder verdichtet und sie sich unseren Blicken entzieht. Es ist sehr schwer seine Wahrheit zu finden. 

Sie unter all den angesammelten Bergen von Gegenständen, die sie zu begraben sucht, Geschichten die sie verkleidet, Befindlichkeiten, Gefühle, Gedanken und Überzeugungen, die sie überdeckt, zu sehen, bedeutet eine lebenslange Suche, oftmals ohne sie jemals zu finden. Das kann entmutigend sein und einen verzagen lassen. Und doch gibt es diese Momente für jedermann fassbar, die einen Blick auf die Essenz dessen zulassen was ist und was sein kann. Es sind diese seltenen Augenblicke der Klarheit, die ohne Maske und Tünche das Ist und das Sein und das Jetzt zeigen. Das können die Sonnenstrahlen sein, die einen wolkenverhangenen Himmel durchbrechen, eine betörende Melodie, die das Herz berührt, eine Berührung voller Zartheit, das Lachen eines Kindes, eine Gefühl des Glücks und der Liebe, das einem das Innere zusammenschnürt und Tränen aufsteigen läßt, der Sonnenuntergang am Meer, das Schlagen des Herzens und das Atmen des Windes. Es ist so wunderschön. Rein und wahr und ohne Begehren, ohne Versprechung und Sicherheit, ohne Schloß und Riegel, ohne Zusage und Pflicht, ohne Schmuck und Tand. Es ist nur da. Manchmal. 

Ich musste gerade weit zurückscrollen, den Punkt zu finden, um nach diesem Exkurs wieder in die ursprüngliche Geschichte zu finden und stelle fest, dass ich mich dringend etwas kürzer fassen sollte:) Auf jeden Fall, in welcher Reihenfolge ist unklar, gab es eine Band mit Bernd Rohde(E-Gitarre), Stefan Neuhaus(Bass, diesen Namen konnte ich von meinem Freund Jürgen erfragen) und dann verlässt mich meine Erinnerung. Ich glaube, dass zu diesem Zeitpunkt, ich muss so 19 gewesen sein, Peter Dahlhaus und Frank Möbus für kurze Zeit, in mein musikalisches Leben traten. Unsere Freundschaft, Peters und meine, dauerte und hielt viele, viele Jahre und löste sich erst vor Kurzem in Nichts auf. Es gibt viele gute Geschichten zu dieser wechselhaften Freundschaft zu erzählen, viel gemeinsam Erlebtes, manches lustig, manches tragisch und seltsam, gerade in der Phase, in der wir jung waren. Vllt erzähle ich es einmal in Gänze, so wie viele der hier auf der Strecke bleibenden Anekdoten rund um das Musikleben in den 80/90 er Jahren. Peter und Frank wohnten in einer, selbst für damalige Verhältnisse und mit viel Toleranz  und musikalischer Selbstverständlichkeit betrachtet, sehr, sehr seltsamen Konstellation, in einem sehr seltsamen Haus mit sehr seltsamen Menschen. Vielleicht waren sie auch gar nicht so seltsam, aber selbst bei kritischer Betrachtung einer möglichen Wahrnehmungsverzerrung aufgrund der vielen dazwischen liegenden Jahre, bleibt das Gefühl bestehen, sich in einer Szenerie von Loriot befunden zu haben. Eine Einschätzung, der Peter bestimmt beipflichten würde. 

Wir lernten uns über eine Proberaumkonstellation kennen und kamen zusammen, um festzustellen, dass unser gemeinsamer musikalischer Nenner aufgrund unserer unterschiedlichen Erfahrung, ich, scheinbar und möglicherweise im direkten Vergleich berechtigt, ein ausgebufft und abgebrühter Rocksänger, mit allen Wassern gewaschen und die beiden blumigen Anfänger. Aufgrund der in ihrem Leben dominanten und  finanziell starken Frauen, mit hervorragendem Equipment ausgestattet,  exquisiten, sich im Haus befindlichen Probeörtlichkeiten gesegnet und mit umfangreichen, zu diesem Zeitpunkt unwichtigen theoretischen Wissen befüllt, waren beide bereit, die Welt des Hard Rocks zu erobern. Es fehlten noch zwei drei Dinge und dazu gehörte ein Sänger und eine Intensivierung ihres musikalisches Können. So probten wir, unter den begeisterten Augen aller anwesenden Hausbewohner, mit Applaus und großem Hallo „Sweet Transvestite“, der einzige spielbaren Song des Repertoires und trennten uns kurze Zeit später freundschaftlich. Ich erwartete nicht wieder musikalisch von Peter zu hören, doch kurze Zeit später, trafen wir erneut zusammen und der Fortschritt war wirklich erstaunlich, so das wir eine Weile miteinander spielten und die Hardrock Formation „Stonhenge“ gründeten. Vermutlich hieß jede 5 Hardrock Combo so, was aber damals nicht so genau hielt, weil selten zwei davon auf einmal und wir nie auftraten. Kurze Zeit später trennten wir uns aus musikalischen Differenzen und jeder ginge für eine Zeit seine Wege. Immer wieder kreuzten sich unsere Wege und verbanden sich unsere Träume, zusammen das große Ding zu machen und es mit unseren Songs zu schaffen. Wie waren in späteren Jahren gute Freunde und immer wieder ein sehr gutes Team als Singer und Songschreiber. Peter wurde ein fantastischer Gitarrist, der intuitiv genauso spielte, wie ich es mir vorstellte und wir ergänzten uns gut. Leider endeten die Träume immer dann, wenn es konkret wurde und man von der Couch aufstehen und in die Welt hinaus musste, um das Reden durch das Tun zu ersetzen, zu spielen, zu arbeiten und sich wirklich mit Leibe und Seele hinein zu stürzen in all die Nichtigkeiten die nun einmal dazu gehören, um einfach auch nur gelegentlich Auftritte zu bekommen. Das ist und war nie einfach. Wird es niemals sein. Das war Peters Ding nicht. Ich weiß nicht wie es ihm heute geht. Ich habe noch einige Male versucht Kontakt aufzunehmen und denke oft daran zurück. Es war eine wirklich gute Zeit und es sind einige wundervolle gemeinsame Songs übrig geblieben, die ich heute noch spiele. Peter und Frank versuchten ihren Rocktraum nach einer Zeit des Darbens mit Endeavour und ich fand – the sheep, die Band, die es in unseren Köpfen schon immer gegeben hat!  

Bei Tacke in der Leimbacherstraße lernte ich bei einem Vorspiel, Bernd, Stefan und ich standen ohne Schlagzeuger da, Dirk Rosenbaum kennen. Er tauchte zur verabredeten Zeit im Proberaum auf, selbstbewusst und in unseren Augen völlig unverschämt, lediglich mit einer Snare und einem Hihat bestückt und wollte mal sehen. Hard rock sei nicht so sein Ding, aber man könnte ja mal schauen. Wir konnten uns gegenseitig wenig beeindrucken, das Vorspiel endetet aber mit einer Einladung seinerseits, ob ich nicht einmal bei ihnen vorsingen wolle, sie würden in Heckinghausen proben, so Englisch Rock im Fixx und U2 Style. Der Rest ist Geschichte! Ganz so berühmt und groß war es nicht, noch nicht einmal besonders und im Kontext des großen Ganzen, wahrlich nicht der Rede wert. Aber es war für eine lange Zeit alles für uns. Es war besonders und ist es bis heute. Es war genauso einzigartig, wie die erste große Liebe, der erste Kuss, der erste Sex, das erste Auto und und und...das Erste. 

Nicht nur mit dem Selbstbewusstsein und der gnadenlosen Selbstüberschätzung, dem sorglosen, optimistischen Mut und der überheblichen Leichtigkeit der Jugend ausgestattet, die es uns ermöglichte über jeglichen Mangel und jegliche denkbare Hürde hinweg zu sehen, stimmte die Chemie zwischen uns auf eine besondere Weise. Man kann natürlich mit jedem irgendwie Musik machen. Es ist wohl so, wie man auf jeder beruflichen und professionellen Ebene, mit den meisten Menschen durchaus zu sehr guten Resultaten kommen kann. Genau auf eben dieser Basis. Das Zusammenlegen von Können und Wissen, einem definierten Ziel untergeordnet, um zu einem zufrieden stellenden Ergebnis zu kommen. Es werden aber immer die Flügel fehlen. Es wird nie dazu kommen, das Fliegen zu erleben und direkt in die Sonne zu sehen ohne zu erblinden. 

Es funkte beinahe sofort, wenn ich auch eine ganze Zeit noch meinen scheinbaren Abscheu vor diesem leichten, klaren englischen Sound zeigen musste, diese lächerliche Durchlässigkeit in der stringenten Brilianz der unaufgeregten, verwobenen Struktur, die soviel sphärische Tiefe zuließ. Mädchenmusik! Ganz klar! Ich war sehr schnell überzeugt und bekehrt. Ich betrat einen Raum der angefüllt war mit unbekannten, bekannten Klängen die sich wundersam mit meinen Wurzeln zusammenfügten und das erste mal konnte ich mit meiner sonoren, eher im Bariton verhafteteten Stimme, Frieden schließen und ihre Stärke erleben. Ich war angekommen. Es ist etwas wirklich magisches, diesen Zauber der musikalischen Gemeinsamkeit, der Einheit erleben zu dürfen. 

Und wenn ich auch heute noch viel lieber meine ureigene, ganz persönliche Musik schreiben und spielen darf, so werde ich nie das Gefühl dieser Stärke und Einmaligkeit vergessen. Ich hatte das später noch ein-zweimal, immer dann, wenn ich spürte, das etwas großes entstehen könnte, wenn sich die Kreativität verdichtet, wenn sich diese Chemie im schreiben und texten wieder entfaltete. Es hat nie  wieder so funktioniert, erst dann wieder, als ich lernte loszulassen und zu erkennen, das mein Wunsch, mit den eigenen Melodien und Worten, zu berühren auch nur meine alleiniger Wunsch in dieser ausgeprägten Intensität war. Es konnte mir gar keiner folgen, weil niemand dieses so stark ausgeprägte Bedürfnis hatte. Musik war immer nur in diesem Zusammenhang für mich von der Bedeutung, dass es mein Herz öffnet, weitet, zerreißt und meine Seele berührt. Anders kann ich das nicht. Und will es auch nicht mehr. Außer wenn ich Opern höre und sehe. 

Mit diesem Erkennen wurde mir viel später und erst recht heute klar, dass ich diesen Weg nur alleine gehen kann, mit Wegbegleitern, sicherlich, aber nur so, wie ich das mit meiner Musik und ihrer Aussage in Einklang bringen kann. Dazu gehört Nein sagen und auch, den Mut zu haben sich alleine auf den Weg zu machen. Ich glaube, deshalb war die Straßenmusik auch eine so grundsätzliche und wichtige Erfahrung. Unersetzlich für mein Wachwerden, meinen Entschluss und meine Einsicht, dass nur ich das alleine kann, weil es niemand so sehr will, wie ich. Und nicht so. Und auch nicht so sehen kann, so deutlich, wie ein Bild! Die lange Selbstständigkeit war da ein ausgezeichneter Lehrherr, der zu Entschlüssen zwingt, schnelle, oft zweifelhafte, wichtige Entscheidungen, die häufig auf Basis von viel Intuition und wenig Wissen, heuristisch getroffen werden müssen. 

Ich spiele seit vielen, vielen Jahren auch Covermusik und mag das sehr, berühren tut es mich nicht. Was mich auch hier berührt und bewegt, darin liegt auch ihre Legitimation, ist, dass ich damit Menschen berühren kann und das auch in diesem Genre als essentiell, als ein Geschenk, das ich mitgeben kann, ansehe. Selbstverständlich ist das nicht reine altruistische Menschenliebe und nicht ausschließlich eine uneigennützige Gabe an die Zuhörer*innen. Ich bin Sänger, Gitarrist, Solist und Frontmann und es ist auch eine Form der Selbstdarstellung. Jeder Sänger ist auch ein Entertainer, ein musikalischer Egoist, muss es sein, begehrt die Anerkennung und den Applaus, möchte gesehen und ein Stück weit auch bewundert werden. Sicherlich ist die Liebe zur Musik vorrangig, vor dem eigenen Ego, es ist das, was einen überhaupt dazu bringt, sich dieser zu verschreiben. Egal in welchem Maße und in welcher Qualität oder welchem Erfolg, ist es das Verbindende zwischen all denen, die sich mit Herz und Leidenschaft der Musik widmen. Darin sind wir uns alle einig. Weitestgehend. Meistens. Oft.  In wieweit das „Kunst“ ist, ein sooft missbrauchtes und strapaziertes Wort, ist ein völlig andere Frage.

Tatsächlich ist es vielen hervorragenden Musikern nicht gegeben, selbst zu schreiben oder zu komponieren, dafür aber mit einer unfassbaren Intensität,  Intuition, Herz Gefühl und Leidenschaft Kompositionen zu interpretieren und zeitlose Klassiker ins Leben zu rufen und diese Kraft ihres Glanzes unsterblich zu machen. Das gleiche gilt natürlich umgekehrt für die vielen Texter und Songschreiber, Komponisten und Schaffenden, die nicht in dem Maße über eben diese Fähigkeiten verfügen, aber Genie im Überfluss besitzen, ebenjene Klassiker zu erschaffen. Nichts jedoch kann mehrere Aspekte ersetzen, die nicht zu erlernen und nicht zu kontrollieren sind. Charisma, die dadurch entstehende Aura, Bühnenpräsenz, Timing und natürlich, das ist wesentlich, die richtige Zeit und der richtige Ort und das viel zitierte Glück. 

Auf jeden Fall war es überaus bereichernd, ausfüllend, einnehmend und sehr inspirierend. Kein Aufwand schien zuviel, kein Ziel zu groß und keine Vision unerreichbar und die Zeit verging wie im Fluge. Die Songs sprudelten aus uns heraus. Die Texte wurden in Englisch verfasst, da es ja außer Frage stand, dass der internationale Durchbruch unmittelbar zu erwarten war und die Wichtigkeit unserer Erkenntnisse und unseres Erlebens unbedingt weltweit, bis in die letzte Hütte und in jeden Winkel dieser Erde von allen verstanden werden sollte. Darin waren wir uns völlig einig. Es kam dann ein wenig anders. Unwesentlich anders. 

Wir wurden belohnt und gewannen den Rockförderpreis der Stadt Wuppertal. Gestern wie heute ein ganz besonderes Ereignis, eine besondere Auszeichnung, die innerhalb vor allem der lokalen Musikszene, mit Bedeutung und Prestige behaftet ist und für uns einen grandiosen Triumph bedeutete. Der sichtbare Preis für unser intensives Spiel, für die vielen, vielen Stunden der Arbeit, eine Anerkennung, eine geschlagene Brücke zu anderen Ufern, der sichtbare Beginn und Beweis für die Richtigkeit unserer Träume. In den folgenden Jahren hatten wir gut zu tun und wir tourten viel, auch in den neuen Bundesländern, die wir dank Maik, dessen Wurzeln in Thüringen zu finden waren, kennenlernten. Der wirkliche Erfolg stellte sich dennoch nicht ein, nicht in dem erwarteten Maße. Das tat unserer Begeisterung vorläufig keinen Abbruch. Hier entdeckte ich den Zauber und die Faszination der Sprache und begann, zunächst zögerlich dann mit zunehmender Begeisterung, nur noch deutsche Texte zu schreiben.

Es war so einfach. Das ist nicht ganz richtig. Es war so erleichternd und wohltuend sich in der eigenen Sprache auszudrücken. Von Anfang an war es für mich ein Va Banque Spiel, eine verbale Gratwanderung voller Tücken. 

Ich bin ein leidenschaftlicher Leser und habe immer schon diese Kunstform bewundert, nicht nur, den dahinter stehenden Geist, die so wohl formulierten Empfindungen und die präzise beschriebenen Gedanken, sondern vor allem, das tiefe Verständnis und die große Liebe zum Leben und zu den Menschen, die trotz Liebe, Schicksal und Verderben, meist hinter all dem zu spüren ist. 

In meinem Lieblingsbuch „Jenseits von Eden“ von John Steinbeck ist all dies in einem Übermaß zu finden. Ein warmes liebevolles und offenes Annehmen all dessen, was uns ausmacht, ein Wissen von Anfang und Ende, das Erkennen all der immer wiederkehrenden Fehlbarkeit, des Bemühens und des Scheiterns, eingebettet in einen warmen Humor, der gelassen und ohne Verachtung und Gehässigkeit, dieses Schauspiel der menschlichen Komödie betrachtet und authentisch beschreibt. Ein Buch, das einen angenehm leer und doch erfüllt zurückläßt, gesättigt von Farben und Formen, die es gemalt hat und uns auf dieser ganz besonderen Leinwand darstellt. Es begleitet mich seit Jahrzehnten in mehreren Ausführungen und an allen Orten und ist für mich ein großes Werk, das denen Michelangelos oder Van Goghs in nichts nachsteht, so seltsam ein solcher Vergleich auch anmuten mag. Es sind nur andere Ausdrucksmöglichkeiten desselben immerwährenden, nie enden wollenden Themas und gehören im besten Falle miteinander auf das Engste verknüpft und verbunden. Wie großartig, dass wir so etwas schaffen können, wie erhaben und einzigartig, die menschliche Seele sein kann. 


Was hat das mit dem Schreiben von Songtexten zu tun?

Es ist eben diese Ehrfurcht vor den großen, kleinen Worten, den sich dahinter verbergenden Geistern, das Wissen und die wesentlichen Wahrheiten, die Erkenntnis und die Weisheit derer, die uns scheinbar mit solcher Leichtigkeit davon berichten, die das eigene Bemühen so – vermessen, bescheiden? erscheinen lassen. Wie soll man in Worte fassen, was schon so überragend formuliert wurde und einem selbst dennoch so wichtig erscheint, es immer wieder und neu tun zu müssen? Wie eine angemessene Form finden, die das eigene Empfinden befriedigend in Wort und Melodie hörbar werden lässt? Wie den Kitsch vermeiden und Plattitüden umgehen? Wie kann ich Kalenderspruchweisheiten, die ja durchaus auf tiefer Erkenntnis basieren, in lyrische Form bringen, wenn sie mir als wahr erscheinen? Wie vermeide ich die nähe zum Schlager, etwas was mir tatsächlich körperliches Ungehagen bereitet, ähnlich wie Karnevalsmusik? 

Und das wichtigste von allen – wie kann ich berühren und die Nähe herstellen, die zu einer musikalischen Interaktion unbedingt nötig ist und für die ich schreibe?

Ein Teil der Fragen, mit denen ich mich auseinandersetze, wenn ich versuche meine Gefühle in Worte zu kleiden. Etwas, was sich in Anbetracht der Begrenzungen, die die „Regeln“ eines Songes durchaus auch aufweisen, als oft schwierig darstellt und immer wieder neu interpretiert und aufgebrauchten werden müssen. Drei bis Vier Minuten, Intro, Strophe, Brigde, Refrain, Interludes, Solo, Outro. Variabel in seinen Elementen, meist klassisch in seiner Struktur und anscheinend von grundsätzlicher, allgemeiner Gültigkeit, zumindest sind hier meist keine großen Innovationen sichtbar. 

Ich habe keine Ahnung, wie andere Songs schreiben, ebenso wenig, wie andere malen oder bildhauern. Es ist und war mir immer völlig egal und hat mich nie interessiert. Warum auch. Was soll mir das helfen. Es gibt immer nur den eigenen Weg, das eigene Herangehen und das eigene Empfinden, die eigene Lösung. Ich in dieser Hinsicht immer autark und selbstbewusst gewesen, immer klar, sooft mir diese Klarheit in anderen Lebensbereichen und Situationen gefehlt haben mag. In dem, was ich aus mir heraus gestalte, benötigte ich keine Hilfe. 

Es würde mir falsch erscheinen, nicht richtig, nicht eigen und nicht meins. Was ich brauche und wissen muss, die Fähig- und Fertigkeiten die ich dafür benötige, möchte ich selbst besitzen, erwerben und erlernen. Wie soll ich wirklich meine Ideen verwirklichen, umsetzen können, wenn ich nicht allumfassend darüber und über alle seine Möglichkeiten Bescheid weiß? Ich kann nicht alles gleich gut können und warum sollte ich nicht hier auf die Kompetenz eines Fachmannes zurück greifen, der sich ausschließlich mit einem Teilbereich (zum Beispiel der Abformung einer Skulptur für den Bronzeguss) beschäftigt. Ich muss es dennoch können, darum wissen, um deren Möglichkeiten und Grenzen, um auch dieselben meiner eigenen Arbeiten beurteilen zu können.

Musikalisch löse ich alles intuitiv, mit den wenigen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. So sicher und selbstverständlich ich mich in der Bildhauerei bewege, so vertraut mir ihre Regeln und Gesetze sind, so neu, aufregend und unerschlossen ist mir die Musik. Nur ein scheinbarer Widerspruch, da ich doch durch und durch Musiker bin, nach Empfinden und meiner Definition. Faktisch habe ich nicht die geringste Ahnung. Musiktheoretisch und musikgeschichtlich. Ich weiß sehr viel darüber und doch so unfassbar wenig. Wie in allen Bereichen. Es gibt eine wunderbares Gedicht von C.G. Jung, das meine Mutter mir vor kurzem schickte und das ich hier einfügen möchte, da ich mich zu 100 % darin wiederfinden kann und es so gut passt. Zu allem!

„Je älter ich wurde, desto weniger verstand oder erkannte oder wusste ich mich. Ich bin über mich erstaunt, enttäuscht, erfreut. Ich bin betrübt, niedergeschlagen, enthusiastisch. Ich bin das alles auch und kann die Summe nicht ziehen. Ich bin außerstande, einen definitiven Wert oder Unwert festzustellen, ich habe kein Urteil über mich oder meine Leben. In nichts bin ich ganz sicher. Ich habe keine definitive Überzeugung -  eigentlich von nichts. Ich weiß nur, das ich geboren wurde und existiere, und es ist mir, als ob ich getragen würde. Ich existiere auf der Grundlage von etwas, das ich nicht kenne (und ich, Karsten, möchte ergänzend hinzufügen) – nicht verstehe!“

Das scheint mir an diesem Punkt meines Lebens so wahr zu sein, wie ich „Wahrheit und Erkenntnis“ nur für mich definieren kann. Wundervoll. Klar. Bedeutsam. Einfach. Ehrlich. Es berührt mich zutiefst, wie nur wenig zuvor.

Meine Kenntnisse in und über Musik, sind allen- und bestenfalls rudimentär und seit Jahren versuche ich diesen „Mangel", wenn es denn einer ist, mit wenig Elan zu beheben. Ich kann mich selbst, ob meiner Naivität in dieser Hinsicht, nur liebevoll belächeln und auch bestaunen. Ich habe dieses Wissen selten vermisst und noch weniger oft gebraucht. Ich kann sehr viel über Musik erzählen, auf der gefühlsmäßigen und empirischen Ebene habe ich sehr viel Erfahrung und Erleben mitzuteilen. 

Wenn ich Songs schreibe, wenn sich eine scheinbar flüchtige Idee zeigt oder wenn sich die Gedanken in Wörtern formieren, ist das eine faszinierender Moment. Elektrisierend, einmalig, magisch und komplett einnehmend. Unbeschreiblich. Dieser Augenblick ist so vieles, so viel, das sich vereint und zusammenfließt und mich bindet und fest hält. Wenn sich eine Melodie findet, mich nicht mehr loslässt und mit den Worten eine Geschichte bildet, die meine eingesperrten Gedanken befreit und mit meinen Gefühlen einen sanften Reigen tanzt oder eine Flut ähnlich aus mir heraus bricht und mich mitreißt, gelange ich an einen besonderen Ort. Eine vibrierende Energie geht von diesem aus, gleichgültig welchem Gefühl gerade Ausdruck, Wort und Klang gegeben werden soll. Wie ein Schauspieler, der sich dem Regisseur, und dessen Vision völlig anvertraut, der sein Drehbuch, seine Textzeilen erst Augenblicke zuvor in Empfang nimmt und diese dann mit  schlafwandlerischer Sicherheit und vollendeter Geste und Mimik makellos präsentiert, so überlasse ich mich dieser Führung, diesem besonderen Augenblick. Alles passiert von selbst, es greift alles nahtlos ineinander, ordnet sich und fügt sich zusammen. Einem Sprachrohr gleich, einer Stimme, die nicht zu einem und doch so sehr dazu gehört. Natürlich bin ich aktiv, dennoch nicht so sehr bestimmend, sondern anteilnehmend dazugehörend, interagierend. Eingegliedert, Teil und Ganzes, Regisseur, Schauspieler, Produzent und Crew. Es ist schwer diesen so ganz besonderen Moment zu beschreiben und einmal mehr bemerke ich meinen Wunsch, mich besser, klarer, ausdrücken zu können, als es mir möglich ist. Es können großartige, berührende Werke entstehen, wenn dieser Fluss einen erfasst und mit sich nimmt. Wenn alles fließt und schimmert. Das ist großartig, wundervoll und einzig. 

Das ist nicht immer so. Manchmal zeigen sich nur Teile, das Ganze verbirgt sich noch, Textfragmente und wortlose, mit Platzhaltern und Phrasen versetzte  Gesangspartien, weichen nur langsam dem gewünschten, sorgfältig gesetzten Ausdruck. Die Melodie hat keinen Anfang und kein Ende, ist ohne Einbindung in die Struktur, verweigert das harmonische Gleichgewicht. Der Refrain, eindrucksvoll und eindringlich, sträubt sich gegen die einführende Einleitung und die Strophe, warm, leidenschaftlich, voller Gefühl und lyrischer Eindringlichkeit, steht alleine da, isoliert, oft sehr lange. 

Das beschriebene Empfinden stellt sich auch hier partiell ein, weicht dann aber einer Unzufriedenheit, die in dem Unvollkommenen begründet liegt. Manche Elemente liegen dann eine zeitlang auf „Halde“, Textzeilen, gereimte Wörter, Passagen und Phrasen, Metaphern und Allegorien, Symbole und Bilder, essentielle Bruchstücke, einzeln überzeugend, brillante Gedanken, alleine und ohne Kontext, Sinnzusammenhang. Akkordfolgen, an und in sich begrenzt, wie die gesamte Musik, unbegrenzte Grenzen aufzeigt, definiert durch den Vorrat eines 12 - Ton - Systems in unterschiedlichen Oktaven, organisierte Schallereignisse. Einer Sammlung gleich, die sich dann in einer wohl durchdachten, auch zufällig entstandenen ordnenden Struktur wiederfindet und sich wundersam zusammensetzt. Das ist dann harte Arbeit, ein Suchen und Ringen, um den Ausdruck, der oft nicht bis ins letzte überzeugt, zu finden, bis sich dann auf einmal der passende Baustein, das fehlende Bisschen zeigt, manchmal rein zufällig, oft in Zusammenarbeit, manchmal auch erst sehr viel später, Jahre später. Wenn ein guter Song, nicht bis ins letzte Detail überzeugen konnte und auf einmal, aus einer völlig neuen Betrachtung heraus, sein Wesen, das wesentliche offenbart, ist das ein großartiges Erlebnis, wie ein nach Hause kommen. 

Erst vor kurzem ist mir das passiert, als ich einen älteren Song „ Völlig Alleine“, den ich in den letzten Jahren meiner ersten Ehe geschrieben habe, unverhofft zu einem nun endlich stimmigen Gesamtwerk bringen konnte. Es muss mindestens 10 Jahre her sein, als ich, einem satten, fetten und unbeweglichen Kater gleich, in meinem wohl erworbenem „Wohlstand“, mit allen Attributen des Erfolges,  den Früchten meiner Arbeit saß und eine so tiefe Unzufriedenheit verspürte, das ich kaum noch Luft bekam und mir vor Wut und Verzweiflung nur nach Schreien zumute war. Die völlige Vereinsamung innerhalb einer Partnerschaft, das Alleinsein in der Zweisamkeit, diese absurde Farce gelebter Narration vorgegebener Lebensmuster und Ideen, erstickte mich nach und nach und die Desillusionierung all dessen, woran auch ich geglaubt habe, brachte mich dazu wenig später diesen Kreis zu durchbrechen, dem zu entfliehen und wieder atmen zu können. Das dauerte lang, ist eine andere Geschichte und wichtig vllt nur, das mir die Musik dabei half, diese Irrungen und Wirrungen zu ordnen, mich wieder zu finden und wiederum Jahre später, den Weg der Achtsamkeit für mich  zu entdecken. Ein Teil dieses Prozesses, dieses Erlebens ist im Zyklus „Dunkles Herz“ grundsätzliches, elementares Thema.  Der Song fand endlich seine Bestimmung im Ganzen und bedeutet mir sehr viel. 

Wenn ich Songs schreibe, brauche ich Zeit und Muße. 

Zeit ist ein brisantes Thema und ich habe manchmal den Eindruck, dass Zeit misstrauisch betrachtet wird, als sei man sich ihres Wertes und ihrer Bedeutung nicht sicher oder bewusst. Als sei es fast vermessen diese zu haben, ein Gut, nach dem es zu trachten gilt und hat man es, schleicht sich schon fast eine Art schlechtes Gewissen ein. Der allgegenwärtige Stress, wirklich oder vermeintlich, real oder hausgemacht, ist Wert, Selbstzweck und Teilsinn in einem oder scheint es zu sein. Er war mir sehr vertraut, wesentlicher, elementarer Teil über viele, viele Jahre meines Lebens, Freund und Feind, ein Wertmaßstab des modernen, erfolgreichen Lebens, das minutiös durchgetaktet werden muss. Von der Beschallung des ungeborenen Kindes mit Mozart und Einsteinschen Theorien, bis hin zur letzten Ruhe unter einem wunderschönen Baum im harmonischen Abendrot eines frostig kalten Wintertages. Seit ich in den letzten 2 Jahren mein Leben so völlig umgestellt habe, so drastisch und konsequent und vollkommen, ist mir bewusst geworden, dass ich sehr viel Zeit habe. Alle Zeit der Welt. Das liegt natürlich zum einen daran, dass ich sie tatsächlich und faktisch durch meinen Hauptberuf Lehrer habe. Es liegt aber vor allem an der tiefen Einsicht, dass es immer und immer meine Zeit ist. Jede Sekunde des Tages, egal was ich tue, jeden Moment meines Lebens, es gibt gar keine andere Zeit. Nur meine. Zu jeder Zeit. Es ist sehr einfach. Im Grunde ist sehr viel sehr einfach.

Erstaunlich, dass es uns so schwer fällt das zu sehen und zu leben. Es scheint auf jeden Fall außergewöhnlich zu sein, da ich es schon öfter gehört habe, sei es beim einkaufen oder woanders, dass, wenn ich sage… keine Eile, ich habe Zeit… höre…oh, das ist aber selten, wer hat heute schon Zeit?... Ich denke jeder. Wenn man es als seine eigene Lebenszeit begreift. Eher stellt sich die Frage, wofür man diese verwenden möchte außerhalb der für den Lebensunterhalt notwendigen Nutzung von Stunden, die, wiederum, ebenso die eigene Zeit darstellen. Umso schlimmer etwas tun zu müssen, was man nicht liebt. 

Zum Songschreiben und sich darauf einstimmen, braucht man einen besonderen Ort. Natürlich kann man überall Songs schreiben, insofern ist der Ort zweitrangig, dennoch ist er nicht ohne Bedeutung für mich. Das Vertraute hilft mir und meine Umgebung, die ich sehr liebevoll und zart an meine Bedürfnisse angepasst habe, macht es mir einfacher mich zu öffnen. Offen zu werden und aufzunehmen, nicht zu wollen, es kommen zu lassen. Man kann auch sehr konkret suchen und fündig werden. Sammeln.  Ich schreibe an meinem Sekretär, ein Prachtstück der Gründerzeit, den ich sehr liebe und der mich schon sehr lange begleitet. Karierte Collegeblocks, schnell und hastig notierte Sätze, alte und neue, zerknülltes Papier und grüner Tee. Eine antike Schreibtischlampe beleuchtet die Szenerie. Mein Gitarrenhocker steht neben meinem Thonetstuhl (kein Original, aber eine gute Kopie;-)) und eine zeitlang bin ich dann noch unschlüssig, nehme eine Akkordfolge, eine Textzeile, eine Melodie auf, gehe nochmal zum Fenster, schaue raus, krose hier und da und lasse mich dann auf das, was kommen soll ein. Voll und ganz. Man merkt sehr schnell, ob man in einen Flow gerät, der sich nicht so sehr auf eine lang anhaltende Konzentrationsphase bezieht, in der einem alles leicht zu fallen, ja, zuzufliegen scheint, sondern in dem sich die Fokussierung, die Kreativität verdichtet (ich mag diese für mich stimmige Beschreibung). Dann entstehen wirklich gute Dinge, Teile, Passagen und manchmal, in einem echten Flow, komplette Songs, oft mehrere Ideen an einem Tag. Das sind besondere Sternstunden. Highlights. Seltene Perlen. Dann stellt sich eine unfassbar zufriedene, ausgelaugte Erschöpfung ein, während das Leben dennoch stark und klar in einem pulsiert. Momente der Klarheit. Und der ureigensten Wahrheit. 

Ich texte immer alleine, ebenso wie ich die meisten der Songs allein schreibe. Oft gibt es für eine kleine Weile eine besonders gut funktionierende Konstellation, in der man sich in der Gemeinschaft sehr gut ergänzt, sei es als Band oder als Team beim Songschreiben. Manchmal finden sich die Wörter nicht ein. Es fehlt die klare Vision dessen, was ich, hinter all den Worten, wirklich sagen will. Die Kraft und der Zauber der Wörter und der Sprache. Ich habe immer eine Idee davon, wie es klingen soll, wie es sich für mich als Zuhörer anhören müsste, was mich ansprechen und mitnehmen würde. Umso schwieriger ist es, dieser inneren Vorstellung gerecht zu werden. 

Das war ein langer Exkurs, der insofern doch von einiger Bedeutung und von Interesse sein kann, als er sich mit deutschen Texten, im weitesten Sinne mit Lyrik und Prosa beschäftigt und den meiner weiteren musikalischen Entwicklung.

In den 90er Jahren waren deutsche Texte eher unüblich, zwar gab es immer einige größere und kleinere Koryphäen innerhalb der deutschsprachigen Musik und außerhalb des Schlagers und der volkstümlichen Musik, dennoch war sie in der Pop und Rocksparte eher Ausnahme als Regel. Kein Vergleich zu heute, wo es scheinbar niemanden einfällt, anders als in deutsch zu texten, egal wie wenig sprachliches Talent und Sprachverständnis vorhanden sind und wie unfassbar banal die Themenwahl ausfällt. Ich weiß davon als „alleinerziehender“ Vater eines beinahe 18 jährigen Sohnes, täglich vollgeschallert von wummendem Rap mit türkisch, leierndem deutschen Akzent vorgetragen, über Lambos und Rolex lamentierend, Mütter fickende Kleinstgangsta, die kaum in der Lage sind, ihren eigenen Namen richtig zu schreiben, ein Lied zu singen. 

War es in Rocky Filmen, auch in den 80ern (die ich sehr liebe, beides 80er und Rocky Filme) noch üblich, dem sozialen Elend durch intensiven Sport und Disziplin, unter Anleitung von verständnisvollen alten jüdischen Trainers zu entgehen, wobei nicht an knackigen, in Einzeilern verpackten Lebensweisheiten gespart wurde, liegt heute das Augenmerk wohl eher im Rap, oder im Youtuben, um zu Reichtum und Ansehen zu gelangen. Warum auch nicht. Die Chancen es zu schaffen sind wohl prozentual nicht höher als in jedem anderen bekannten Bereich. 

Es war definitiv ein Wendepunkt. Im Nachhinein weiß ich nicht mehr, ob uns das mehr Aufmerksamkeit gebracht hat, mehr Gigs, mir jedoch eine völlig neue Richtung, der ich bis heute treu geblieben bin und es gibt immer noch Songs, die nunmehr 30 Jahre alt sind, die immer noch Bestandteil meines Programmes sind, da sie sowohl thematisch, als auch lyrisch und musikalisch überzeugen und in mein gedankliches Konzept passen, wie zum Beispiel „ Einfach nur“ oder „Kann dich nicht mehr sehen“. 

Mit dem Eintreffen des Starlight Express auf deutschem Terrain, veränderte sich alles ein wenig, auch das Älterwerden trug seinen Teil dazu bei, dass sich der Traum vom erfolgreichen Rock`n`Roll leben verflüchtigte und wir den gemeinsamen Traum verblassen ließen und dann aufgaben. Direkt zwei Bandmitglieder von the sheep ließen sich vom Starlight rekrutieren und von der neuen Welt einfangen, der Nähe zur musikalischen großen Welt, Teil etwas sehr Seltenem zu sein, mit viel persönlichem Prestige gesegnet, den der Name impliziert und mit neuen musikalischen Kontakten verbunden, die Großes versprachen. Tatsächlich bin ich davon immer völligst unbeeindruckt geblieben und bin es bis heute. Ich finde die musikalische Starlightsequenz großartig, Rustys Song zutiefst berührend, ein Highlight und es ist schier unmöglich das musikalische Genie Loyd - Webbers nicht anzuerkennen, das reine Thema allerdings, ist in meinen Augen äußerst dürftig, womit es sich nahtlos in viele Themen gleicher Sinnhaftigkeit einreiht. 

Die Vorstellung, diese Show Tag aus, Tag ein mischen zu müssen, wie mein guter Freund Jürgen es seit 30 Jahren beinahe täglich tut, jeden gottverdammten Tag die gleichen Songs immer und immer wieder hören zu müssen, kommt meiner ganz persönlichen Vorstellung einer Hölle sehr, sehr nahe.  Selbst die fürstliche Bezahlung kann da noch nicht einmal ein Trostpflaster der auferlegten Qual sein und ich kann mir das für mein Leben nicht vorstellen, bin ich doch schon in der Regel alle 5 Jahre zutiefst von der Gleichförmigkeit dessen gelangweilt, was mein Leben gestaltet und suche immer wieder nach neuen Herausforderungen in Kunst, Leben, Umgebung und Bildung. Auch das ist wohl nicht unbedingt ein Muss oder sonderlich erstrebenswert, wobei ich es nicht anders kenne und immer wieder erstaunt bin, dass es Menschen nicht nur ein Leben lang an einem Ort, mit einem Partner, in einer Stadt, in einer Wohnung, in einer Arbeit, in einer…Beim Schreiben bekomme ich davor schon Angst und das Gefühl schreiend weglaufen zu müssen. Was ein Alptraum. Gruselig. Horror pur.

Nein, das stimmt nicht ganz und ist nicht fair. Vielleicht ist es auch nur Neid, darüber, dass es mir nie gelungen ist eine solche tiefe Ruhe mit und Verbundenheit zu zu verspüren, die es mir erlauben würde, erlaubt hätte dieses Erlebnis zu teilen. Möglicherweise ist es ein Zeichen von wirklicher Größe und einer elementaren Einsicht in das Wesen des Daseins. Ich habe das alles auch versucht und viele Jahre gelebt und lebe es noch und in den wesentlichen Bereichen meines Lebens, kenne ich diese tiefe Verbundenheit und Treue. Es mag schlicht sein, dass mein Befremden, mein „Horror“ einen völlig anderen Ursprung hat, der mit vielen Wertigkeiten zusammenhängt, die ich damit verbinde und die ich für mich ablehne. Gerade während des Älterwerdens, wenn das scheinbar Neue, einer endlosen Schleife bereits erfahrener Dinge gleicht, die in ihrer gleichförmigen, berechenbaren Wiederkehr jeglichen Reiz verlieren, stellt sich die Frage nach dem „Ankommen“, dem “Alleinesein“ und dem “schutz- und ruhelosen“ Umherwanderns, dem Ziel, das doch am Ende des Weges liegen soll, immer deutlicher, ohne an scheinbarem Schrecken zu verlieren. 

Definitiv schien die Geisterbahn, wie JJ sie nach 30 Jahren nennt, oder der Keller, eine ungeheure Anziehungskraft zu besitzen, die Wertigkeiten verschoben sich, alte Verbindungen verloren an Zauber und Bedeutung, der dem Alter und der Karriere geschuldeten Sachzwang und neue Interessen forderten ihren Tribut und der alte Traum verblasste, wurde durchscheinend und verschwand. Nie zur Gänze, immer unter der Oberfläche, wie ein Brand schwelend, aber von Asche bedeckt und dieser Vergleich scheint mir sehr stimmig zu sein. Wir Übriggebliebenen, Tim, Maik und ich, standen noch eine Weile am Rande herum, das neue Zentrum betrachtend, bis auch Maik Jünger wurde und the sheep verrauchte und sich in nichts auflöste. 

Ich widmete mich in Folge meiner Ausbildung zum Steinbildhauermeister, entdeckte meine Liebe zum Reiten, die bis zum Tode meiner geliebten Norwegerstute Liz über 25 Jahre andauerte, gründete eine Familie, erlebte Karriere, ein seltsam anmutendes Wort, das heute bar jeder Bedeutung für mich ist und jeglichen Wert, außer den der Erfahrung, verloren hat und lebte meine Musik und meine Bildhauerei. Irgendwann, es muss in den späten 90ern gewesen sein, trafen wir noch einmal kurz zusammen. Musikalisch spielte ich zuhause, auf dem Hof auf dem unsere Pferde standen und gelegentlich mit Maik Unplugged in Neviges und Umgebung, immer noch wesentlicher Bestandteil, aber nicht Ziel meines Lebens.

Eine seriöse Plattenfirma aus Berlin hatte sich gemeldet und ein älteres Demo von uns bekommen, waren begeistert und wollten nun dringend mit uns arbeiten. Es sah so aus, als könnte es jetzt endlich, nach Wochen und Monaten der Studioarbeiten und Jahren des Tourens soweit sein. Wir müssten uns erneut finden, zusammen tun, einmal noch Vollgas geben, dann wäre der Weg zu den Sternen zum Greifen nahe und der Erfolg unser. Ich habe in meinem Leben unzählige Male dergleichen gehört und nach alle den vielen Zeitungsartikeln, Fensehberichten, Interviews und Radiotalks (die ich auch im Zuge meiner Selbsttändigkeit und Dozenten/Referenten/Lehrer Erfahrungen erleben durfte) bin ich mir über den Wert desselben sehr bewusst. Es gibt nicht wirklich einen, außer den für das persönliche Poesiealbum und die Zeit im Altersheim vielleicht, wenn man grummelnd über seinen Erinnerungen sitzt und in alten Fotos blättert und sich mit all den Verstorbenen unterhält, die einen einst begleitet haben. Nun, es kam auf mich an und nach dem alle Vorzüge aufgezählt waren und alles Pulver verschossen, war es denn wohl mein Votum, das über Erfolg und Nichterfolg entscheiden sollte.

Der Rest der Jungs berichtet, wenn man ihn fragt, was heute kein Mensch mehr tut, von meiner „legendären“ Antwort…dass ich lieber reiten gehen würde...

Wenn ich auch nicht tatsächlich daran glaube, dass es einen Erfolg hätte geben können, bereue ich es nicht eine Sekunde und habe es nie getan, dieses Angebot, das man unmöglich abschlagen konnte, abgelehnt zu haben. Es waren großartige, wundervolle Jahre, voller Erleben und neuen einzigartigen Dingen, von denen ich unendlich froh und dankbar bin, diese gehabt zu haben.

Ich glaube, sie haben mir das nie wirklich verziehen.  

In meiner Erinnerung folgten friedliche Jahre, unterbrochen von kleinen Gigs und kleinen Events, dominiert von unseren Pferden, meiner Meisterschule und dem langsamen stetigen Auf- und Ausbau unseres gemeinsamen Lebens. Es ereignete sich viel in diesen Jahren. Nach dem Meisterbrief, kam der Restaurator, Umzüge, die Selbstständigkeit, meine erste Dozenten und Referententätigkeit, die erste eigene Werkstatt und das Rockorchester Ruhrgebeat – das ROR.  

Natürlich habe ich immer regelmäßig gespielt, auf den unterschiedlichsten Bühnen, in unterschiedlichen Formationen, mit unterschiedlichem Erfolg. Wir hatten viel aufgenommen, Studioerfahrung gesammelt, das erlebt, was man musikalisch erleben kann, bis auf den großen Durchbruch. Irgendwann war die eigene Musik, die eigenen Songs, das, wofür ich vom ersten Augenblick Musik machen wollte, das einzige, was für mich wirklich zählte, einer Lebenslethargie gewichen. Ein seltsamer, gerade geprägter Ausdruck, der mir in seiner Widersprüchlichkeit, passend scheint. Er bedeutet für mich, das Verlassen eines Pfades, weil es zu schwierig ist diesem zu folgen, weil die Summe der Begründungen und Ausreden dieses nicht zu tun, größer ist, als es die Anstrengungen erfordern würde, dabei zu bleiben. Ich erlebe das oft. Es entbehrt nicht einer gewissen Tragik und hinterlässt oft eine Spur einer leichten Traurigkeit, einem Gefühl etwas zu verpassen oder verpasst zu haben. Etwas Wesentliches außer Acht zu lassen, etwas aus den Augen zu verlieren, etwas aufgegeben zu haben, etwas eventuell Unwiederbringliches verloren zu haben.

Zu den vielen vermeintlichen Einbahnstraßen in denen wir uns, meist nur in unserer Einbildung, in unseren Gedanken, bewegen, kommen noch soviel andere Dinge hinzu, Mechanismen der Konditionierung und Erziehung die greifen, Ängste die uns hindern, Bequemlichkeiten und schlicht Faulheit, die uns gefangen und zurückhält unsere Wünsche weiter zu verfolgen und zu leben. Unter den vielen Schichten, den vielen Stapeln von Sorgen, Sünden (echten und eingebildeten), Ängsten und Verbindlichkeiten liegen sie dann begraben, zugemüllt und hoffnungslos mit zentnerschweren Ballast beladen, so verschüttet und verborgen, das sie manchmal nie wieder an die Oberfläche kommen. Es sei denn als lockender, süßer Traum, der einen manchmal Nachts heimsucht und einen bittersüßen Geschmack an längst vergangene und verlorene Tage hinterläßt, als die Welt noch neu, strahlend, schön und voller Hoffnung gewesen ist.  

Es war einfacher auf Vorhandenes zurückzugreifen, schneller, effizienter und erfolgversprechender, es kostete weniger Zeit, war nicht so intensiv, so zehrend und fordernd wie das Versenken in sich und das Betrachten seiner selbst und der Welt, die einen umgibt, wie es die Arbeit an eigenen Songs, an der eigenen Musik erfordert. Vielleicht auch weniger wichtig, weil das Leben, der Weg und die Welt klar zu sein schienen, deutlich, fraglos? Wie auch immer. Für mich ist das die Beschreibung von Covermusik. Das Nachspielen. Es ist nichts Negatives, nichts Schlechtes daran. Es kann ungeheuer inspirierend sein und jeder, wirklich jeder hat seine ganz besonderen Songs, seine Helden, die uns in dunklen und hellen Stunden treu zur Seite stehen. Wegweiser der Gefühle und des Lebens. Kalender und Tagebuch in einem. Es ist so ein Geschenk. Musik und die damit verbundenen Erinnerungen, Gefühle und Erlebnisse, so präsent und greifbar, dass man wie in einem real erscheinenden Traum in der Zeit zurück wandern kann und selbst Gerüche, Form und Farbe völlig wahrhaftig und unverfälscht wahrnimmt. Immer wieder bei den ersten Tönen.  Nicht umsonst gibt es immer wieder neue Interpretationen der Klassiker. Sie sind zeitlos und bewegen immer wieder aufs Neue und mit dieser Form der Hommage zeigt man, wie sehr und wie viel diese Songs einem bedeuten. Das geht mir nicht anders und in meinem Strassenmusikprogramm, tauchen viele der für mich bedeutsamen Songs auf.

Ebenso versuchten Maik und ich in unserer Unplugged Zeit beim Covern, eben diese besonderen Momente zu zeigen, diese eigen zu interpretieren und diesen eine besondere, individuelle Note zu geben.  

Für mich jedoch bleibt und blieb es immer das Werk anderer, das in den meisten Fällen von diesen auch schon umfassend und perfekt dargeboten wurde und dem selten Neues hinzugefügt werden kann. Es sei denn, man macht diesen Song wirklich zu seinem eigenen mit einer völligen Identifikation des Gesagten, auch dann ist es etwas Besonderes und der Zauber kann funktionieren. Es ist wie gesagt nicht Schlechtes daran, für mich hat es immer einen etwas unbefriedigenden Beigeschmack. Als würde ich mich von etwas bedienen, was mir nicht gehört. Wobei das Quatsch ist, da Musik jedem gehört. Nur, für mich ist es das Gefühl, mich mit fremden Lorbeeren zu schmücken. Das Covern ist dann in Ordnung, das ist meine ganz persönliches, ureigenstes Empfinden, wenn man auch in der Lage ist Eigenes zu sagen und zu kreieren oder sich der Sprache eines anderen bedient, weil man vllt tatsächlich nicht die nötigen Ausdrucksmittel besitzt, es selbst passend zu formulieren.

Ich beschritt diesen Pfad, ohne den alten wirklich zu verlassen, weil ich mich zu schwach und zu wenig vorbereitet fühlte diesen alleine weiter zu verfolgen. Komisch, da ich sowieso, meistens alleine schreibe und als Frontmann, zwar die Sicherheit meiner Band habe, dennoch vorne alleine bin und auch ein Spiegel dessen, was von allen gesagt werden soll. Es sollte viele Jahre dauern, das in seiner ganzen Klarheit zu sehen und wahrzunehmen.  

Das Rockorchester – das größte Rockorchester der Welt - , wie wir es gerne vollmundig nennen, ist etwas ganz, ganz Besonderes und ich liebe es dabeisein zu dürfen, so sehr, dass ich seit nunmehr 20 Jahren dort Stammsänger bin und lediglich zweimal eine Auszeit nahm, wenn das Leben und eine gewisse Betriebsmüdigkeit es nötig werden ließ. Es ist auch deswegen so besonders, weil es von einem ganz besonderen Menschen getragen wird, dessen Ideen und Visionen es überlebensgroß werden lassen. Es ist kein Selbstläufer. Es funktioniert nur so und es wird, das glaube ich fest, verschwinden, wenn der Motor irgendwann ausfallen wird. Hans von der Forst ist ein Unikat, ein Ruhrgebietsoriginal und ein sehr eigener Mensch. Hans polarisiert. Ich kenne ihn nicht sehr gut, trotz all dieser Jahre. Woran ich nie zweifeln musste, ebensowenig wie er, war seine Loyalität und sein in mich gesetztes Vertrauen entgegen vieler Widerstände von innen und außen.

Ich bin, meine, ich war, kein guter Teamplayer, was es mir nicht leicht machte, mich in dieses 30 köpfige Team von Individualisten einzufinden. Einen Platz zu finden und eine eigene Identität in der Vielfalt hervorragender Musiker zu entwickeln. Vor allem sich selbst realistisch, kritisch und offen zu betrachten. Dazu kam ich erst sehr viel später und auch nicht ohne einige schmerzhafte Lehren und Erkenntnisse. Hans hält alles zusammen und obwohl er mittlerweile 77 Jahre alt ist, gibt es bei aller internen Kritik an ihm und seinem musikalischen „Geschäftsmodell“, denn das ist das ROR mit seinen Musikern, Manager, Chefs, Helfern und Seelen, dann über 40 Mann/Frau stark, niemanden der nicht voller Zuneigung und Bewunderung, staunend, ob dieser unfassbaren Energie Hans seinen tief empfunden Respekt zollt. Ihm zur Seite, Stütze und Kraft, seine Frau Johanna, warmherzig, verstehend, liebevoll, ruhig und eine Konstante in Hans persönlichem Chaos und uns allen ein Ohr für Sorgen und Probleme jeglicher Art. Unabhängig von all den tollen Menschen die ich dort kenne und kennen gelernt habe, ist es diese Kombination, dieses Gefühl einer mich verstehenden und akzeptierenden Menschlichkeit, gerade dieser beiden, die mich schon so lange bindet und hält. In beinahe jedem wesentlichen Lebensabschnitt in den letzten 20 Jahren, jeder Irrung, jedem Pech, auch jedem Glück und jedem Fehltritt, habe ich mir Rat und Verständnis bei Hans einholen können, auch eine gehörige Portion Realität, oft mehr als mir in diesen Augenblicken zu hören lieb war, niemals jedoch habe ich das Gefühl gehabt, nicht völlig verstanden und angenommen zu sein. Darin liegt ein Teil dieses Zaubers, ganz alleine in einem wirklich tollen, seltsamen Menschen. Das ist zu Lebzeiten schon eine großes Vermächtnis.  

Der andere Teil ist die unglaubliche reine Kraft, die unfassbare musikalischen Energie, das Vibrieren, das Tosen, das einsetzt, wenn die Maschine (ich möchte bei diesem Vergleich bleiben) anspringt, der 12 Zylinder RORt, aus dem sanften Blubbern, ein volltönender, alles einnehmender, aufbrausender Orkan wird, wenn 30 Musiker*innen hinter einem ins Pedal treten und die ganze ungebändigte Kraft ihrer Leidenschaft entfalten und einen nach vorne peitscht, trägt, umschließt und mitnimmt, mitreißt und man die ganze Summe, aller Teile spürt, selbst einer davon ist, integriert und doch souverän individuell, ein Rädchen in der Maschinerie und dennoch auch Fahrer und Kapitän. Das ist absolut einzigartig und einmalig. Wer das jemals erlebt hat, wie letztes Jahr im August im Amfitheater in Gelsenkirchen, einer der schönsten Spielorte überhaupt, wo wir vor fast 6000 Menschen, die wegen uns gekommen sind, im Regen eine großartiges Konzert im völligen Einklang mit unserem Publikum gegeben haben, der mag nichts anderes mehr machen. Danach kommt, in dieser Form der Musik, Covermusik und beim ROR tatsächlich beseelt, gar nichts mehr!  

Es mag viele technisch bessere Formationen geben, kraftvollere gibt es nicht! Das ist schon mal klar und mir ist es eine Ehre, Teil davon zu sein. Denn das ist man, ein Teil. Natürlich gibt es sehr gute Solisten, sowohl bei den Sängern, als auch bei den Musikern. Auch gibt es Publikumslieblinge, die gelegentlich schon mal wechseln, wobei auch jeder gleichzeitig Liebling ist und sein kann, weil für jeden Geschmack etwas dabei ist, soviel zu sehen ist. Ein Durchschnitt durch alle Bevölkerungs- und Bildungsschichten, beinahe aller Ethnien, ein völliger Kessel Buntes, der alle und jeden ansprechen kann. Dennoch ist niemand Star. Man bleibt in der Reihe, sticht nicht hervor. Jeder hat besondere Abende an denen er /sie eine musikalischen Sternstunde erlebt, wo sich alles verdichtet und Zeit, Raum und Ort, Persönlichkeit und Musik zu einer perfekten Einheit verschmelzen und sich alles Können und die ganze Seele in diesem einen Moment konzentrieren und uns und das Publikum atemlos lauschend und zutiefst berührt, beinahe verstört und aufgewühlt zurücklassen. Das ist dann die reine Magie des Augenblicks. Pures Glück. Überragend und einzigartig. Sehr selten in dieser elementaren Wucht und Intensität.  

Ich erinnere mich gut an einen Abend während unserer Glockenrock Auftritte, bei denen wir in Kirchen in einer kleineren Formation von ca 15 Musiker*innen spielen, sehr intim und nah am Publikum, so wie ich es liebe. Leider habe ich den Spielort vergessen, aber es war ein ganz besonderer Abend an dem es viele solcher Momente gab, wir alle zusammen Band und Publikum eins in dieser besonderen vorweihnachtlichen Atmosphäre. Meine liebe Freundin Lisa sang diesen wundervollen Song von der leider schon früh verstorbenen Whitney Houston, i will always love you. Ich konnte diesem Song und auch der Interpretation eigentlich nie viel abgewinnen, an diesem Abend jedoch, als Lisa völlig in diesem Moment aufging und leuchtete, aus sich heraus zu strahlen schien und mit einer reinen Unschuld und schwerer Leichtigkeit aus tiefster Seele diesen Song sang, verstand ich zum ersten Mal wirklich dessen Sinn und Tiefe. Ein zauberhafter Moment der Wahrheit. Rein und ehrlich und klar und voller bitterer Süße. Danach herrschte ein kurzer Augenblick der Stille und wir waren alle zutiefst berührt von dem soeben gehörten, bevor sich die ganze ungeheure Anspannung in einem donnernden Applaus, vermischt mit Bravo Rufen, die ich sonst nur aus der Oper kenne, löste. Ich durfte an diesem Abend in Vertretung meines guten und wichtigen Freundes Kiki, moderieren und schloß eine völlig aufgelöste und erlöste Lisa in die Arme. Wundervoll.

Es fällt den klassischen Schwarmmusikern nicht so schwer ihren musikalischen Individualismus zurück zu stellen, wie den  extrovertierten Solisten. Sie sind es gewöhnt orchestral, eben dieser Teil des Ganzen zu sein, geführt und geleitet vom Dirigat, der Regie, den Vorspielern und integriert in das konzertante System mit seinen Mechanism, die es unbedingt erforderlich machen als eine perfekt Einheit zu interagieren. Individuelle Ausflüge sind da eher unerwünscht und ungern gesehen. Es ist eine völlig andere Welt, weit weniger verwunschen und verklärt als man es sich gemeinhin vorstellt, wenn man voller Ehrfurcht von professionellen und studierten Musikern hinter vorgehaltener Hand berichtet, die sich tagaus, tagein voller Leidenschaft, nur ihrer Passion widmen, blind und taub für die profanen Angelegenheiten des normalen, gemeinen Lebens.  

Die Musiker*innen die sich diesem Weg verschreiben und das Studium der Musik, ohne die Sicherheit des Musikstudiums auf Lehramt wählen, haben meist schon sehr früh begonnen sich einem Instrument zu widmen. Es erfordert ungeheuer viel Disziplin, Leidenschaft und Versenkung dieses Studium zu durchstehen und wie in jedem anderen Bereich, gibt es viele die es nicht schaffen. Das Angebot an wirklich „sicheren“ Arbeitsplätzen, den am Ende geht es auch hier unter anderem, um so banale Dinge, ist sehr gering im Vergleich zu den unzähligen Musiker*innen, die Jahr für Jahr ihre Studium erfolgreich beenden. Der Weg hin zu den so begehrten Spielorten, Ensembles, Theatern und Opernhäusern dieser Welt ist lang, von einer ungeheuer harten Auslese geprägt, von endlosen Vorspielen begleitet und auch sehr früh, so irgendwann Mitte 30, auch beendet. Wenn man es bis dahin nicht geschafft hat sich an einem diese Orte zu etablieren, so ist die Wahrscheinlichkeit gering, mit seinem Studium und der unendlich vielen intensiven Zeit, die man mit seinem Instrument und seiner Liebe verbracht hat, sicher und vergleichsweise leicht und „konventionell“seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Die Qualität ist allgemein sehr, sehr hoch, so hoch, dass selbst kleine Häuser über eine wirklich ausgezeichnete Besetzung verfügen. Es ist ein gegenseitiges respektvolles Anerkennen zweier völlig verschiedener Wege und Denkansätze, die auf das gleiche Ziel ausgerichtet sind.  

Die Freundin meines Freundes Kiki, ist Bratschistin am Theater und Opernhaus in Coburg. Ich habe dort mit Kiki einige Opern besucht und ich durfte ein wenig an diesem, für mich völlig fremden und neuen, Leben teilhaben, von dem ich rein gar keine Vorstellung hatte und immer noch nicht so recht habe. Nur sehr, sehr viel Respekt und auch Bewunderung.  

Als ich das ROR kenne lernte hatte es noch nicht seine jetzige Klasse. Auch als Orchester mussten wir einen langen Weg gehen. Durch eine Mitsängerin, bei einem Unplugged Gig, die wusste, das Hans Sänger und Sängerinnen suchte, kamen Maik und ich zu einem Vorspiel und konnten mit der Performance von Bed of Roses, noch als Duo überzeugen. Maik stieg später aus und ich blieb dabei. Ich war damals sehr von mir und meiner Qualität überzeugt und konnte schlecht andere Götter neben mir dulden.

Es ist komisch das jetzt so zu schreiben und der jüngere Karsten von damals hat kaum mehr Ähnlichkeit mit mir und dennoch bin ich ihm zutiefst und herzlich verbunden.

Es kann eine schmerzliche Sache sein, sich selbst zu erfahren. Ist es immer wieder. Schmerzlich und auch heilsam und erlösend. Befreiend. Es ist ein Teil echter Freiheit sich wirklich zu sehen, sich auch wirklich so sehen zu wollen. 

Wir leben in Geschichten. Es ist alles eine einzige große Erzählung und die Geschichten sind alt und mächtig. Schon unserer Eltern haben diese gehört und die davor. Manche wechseln ihr Gewand, manche sind konstant, einige wiederholen sich fortwährend, erneuern sich und viele sind jüngeren Datums, unverbraucht, frisch hinzugefügt und kreiert. Sie verändern und formen sich, sind in einem steten Wandel. Die Werte tauschen sich aus, können völlig konträr sein und mit der gleichen Vehemenz und Inbrunst erzählt und verbreitet werden, als wäre der Widerspruch und die Flüchtigkeit dessen was ist, gar nicht vorhanden. Die Geschichten dienen dazu eine große Menge von Menschen unter einer übergerdneten Idee, einer gemeinsamen Vision zu verbinden. Einheitliche Werte und Ideen, die sowohl jemand in Timbuktu, den Fidschi Inseln als auch ein Einwohner Düsseldorfs teilen könnte, die beide für selbstverständlich halten, schaffen eine sofortige Kommunikationsgrundlage, eine gemeinsamen Anfang, der dazu führt, das man sich verbunden fühlen kann, ein wir empfindet, eine Gemeinschaft erfährt. Eine Erinnerung die geteilt wird und auf einer gemeinsamen Zugehörigkeit, Legende, einer Sage, einem Märchen beruht.

Etwas, das in unserer evolutionären Natur als ein Grundbedürfnis nach Gesellschaft und Bindung, fest verankert und auch überlebensnotwenig ist, oder zumindest war. Auch die vielen Scheinformen des Zusammenseins, hervorgerufen durch die Illusion, in sozialen Netzwerken eine Familie, Freunde, eine Form der anerkennenden, schützenden Gemeinschaft zu finden, kann nicht verhindern, dass die Vereinsamung und Kälte immer weiter zunimmt. Einsamkeit kann extrem schrecklich und schmerzhaft sein. Vielleicht eine der schlimmsten Strafen die vorstellbar ist. Gerade jetzt aktuell, nimmt sie unmerklich merklich zu, die Ellenbogen werden einmal mehr, etwas weiter ausgefahren und die Angst geschürt, die Isolation gefördert, die Entzweiung und Spaltung von der eigenen und gesamten Menschlichkeit voran getrieben, die Reduzierung auf sich selbst und seine kleine Welt, in seinem eigenen kleinen Gefängnis angestrebt, der soziale Gedanke an das Gemeinwohl erwürgt und das universelle lokalisiert. Schon vor langer Zeit habe ich mich entschieden mich nicht mehr, weitestgehend, medial beeinflussen zu lassen, bin es dennoch, wie kann man dem schon endgültig entgehen, auch hier ist Prägung ein Kernbegriff, und verzichte auf jegliche Information, die ich nicht selbst gezielt recherchiere.Es gibt sehr viele glaubwürdige Quellen, sofort und für jeden erreichbar. Es ist nicht nötig, sich diese vorkauen zu lassen und in einer endlosen Verfügbarkeitsheuritik, sich von echten Fakten ablenken zu lassen. Das Leid auf der Welt ist konstant unverändert, den Klimawandel interessiert weder der Fortbestand der Menschheit, noch was aus der Welt wird. Die Tafel in Ennepetal ist gut besucht und die Armut in Deutschland nimmt konsequent zu. Die Armen werden ärmer, die Reichen reicher, alles wie gehabt. Alles gut. Alles so, wie es immer gewesen ist, eine Konstante. Keine Veränderung. Gut und weiter so.

In unserer menschlichen Vorstellung von Zeit sind, bedingt durch die Begrenzung die ein Leben naturgemäß hat,  100 Jahre viel, sehr viel sogar, denn kaum einer wird so alt und ich habe nie jemanden kennen gelernt, der ein so biblisches Alter erreicht hätte Meine Urgroßmutter väterlicherseits ist 96 geworden. Glaube ich ich mich zu erinnern, ich habe sie noch kennenlernen dürfen.

1000 Jahre sind kaum noch zu überblicken und alles was darüber hinaus geht, gerade in Hinsicht auf Jahrmillionen und Milliarden, gleicht einem unüberschaubaren Sternenmeer und entzieht sich jeder Vorstellung. Es sind völlig surreale Größenordnungen, die sich meiner Gedankenwelt entziehen.

So scheinen uns Werte wie Gleichheit und Freiheit, demokratische Grundprinzipien und Menschenrechte als völlig normal, selbstverständlich und eine ureigenste, natürliche menschliche Seinsform. Selbstverständlich, immer da und Gott gegeben. 

Vor gar nicht langer Zeit hätten die Menschen im besten Falle, ob solch völlig abstruser, an den Haaren herbeigezogener, lachhaft grotesker Vorstellung einer möglichen menschlichen Gemeinschaft, milde lächelnd den Kopf geschüttelt oder einen Scheiterhaufen entzündet. Gleichheit und Freiheit für jedermann, so weit kommt es noch. Die Würde des Menschen ist unantastbar, wie bitte? Ich darf meine Leibeigenen nicht schlagen? Ein Bauer ist genauso viel Wert wie ich? 

Ohne ein Historiker sein zu müssen liegt klar auf der Hand, dass sich Gemeinschafen, Gesellschaften, Imperien und Staatssysteme verändern und das, was gestern war, heute nicht gilt und dass heute, morgen veraltet ist. Es ist nicht sehr beständig, nichts von alledem. Umso erstaunlicher klammern wir uns an Vorstellungen, die wir von den Dingen haben, von den Narrationen über das Leben und über uns selbst. Bei genauer Betrachtung halten die meisten Erzählungen oft nicht stand, messen mit zweierlei Maß, verzerren und verschleiern die Realität von dem was tatsächlich ist.

Was hinter den Worten, den Nebelschwaden des artikulierten Ausstoßes, Wirklichkeit zu sein scheint. Hinter dem Wunsch. Hinter der Selbstdarstellung. Hinter dem Schauspiel und der Maske. Ich bin sehr misstrauisch, wenn ich die Worte höre… sage immer meine Meinung.. ich bin ein Gerechtigkeitsfanatiker…Auf mich kann man sich zu 100 Prozent verlassen…bin immer offen und ehrlich… und, und, und. Das sind interessante Geschichten, aber eben nur genau das. 

Erzählungen zu erkennen, Wahrheit und Wirklichkeit, die es definitiv nicht gibt, vllt lediglich in wissenschaftlichen Befunden, wenn eine Theorie endlich bewiesen wurde und den Status der Theorie, der Geschichte verlässt und messbare, erklär- und begreifbare Realität wird. Sich selbst zu erfahren, sich selbst zu erkennen, sich selbst zu finden, seinen Kern, die Geschichte innerhalb der Geschichte zu entblättern dauert eine Leben lang. Es endet nie und ist nie vollendet, kann gar keine Vollendung erfahren noch nicht einmal mit unserem Tod.

Die Sinnfrage, die Sinnfindung, wie ich es für mich nenne, ist ein immer wieder stattfindender Prozess, der sich fortwährend selbst erneuert und zyklisch, entsprechend der verschiedenen Lebensabschnitte, an Bedeutung gewinnt und drängender wird. Der unpassende Ausdruck Midlifecrisis, der auf eine herablassende Art mit dieser Sinnfrage klischeemäßig (z.B. älterer Mann, jüngere Frau, neue Familie, alles neu) umgeht, ist nur deswegen so bedeutsam, weil dieser Lebensabschnitt meistens in einem ruhigen Gewässer stattfindet. Ich habe meinem Freund Kiki von diesem Bild erzählt, in dem ich das Leben mit einer sanft entspringenden Quelle, einem quirligen, sanft fließendem Bach, einem ruhigen Fluß, einem rauschenden Strom, einem stürmisch brandenden Meer, einem mächtig rollenden Ozean vergleiche, das wiederum rückläufig in einem ruhigen Stausee vor einer Staumauer stoppt. Eine zeitlang ist es dort sehr behaglich und ruhig und das paddeln, sonnen und picknicken macht Spaß, ist erholsam und schön und kann sehr langweilig sein.

An jedem jedem Punkt, jedem anderen Ufer dieser verschiedenen Daseinsformen haben wir sehr viel Sinnfragen stellen müssen, manche sind für uns entschieden worden, manche haben wir getroffen, richtig oder falsch und uns dann immer wieder dem Lauf des Wassers übergeben. Der Stausee, stellt das Erreichte da, den gepflanzten Baum, das gebaute Haus und den gezeugten Sohn. Die Quintessenz des Lebens. Ein möglicher Weg von so vielen. 

Es ist nicht weiter verwunderlich, seltsam, erstaunlich oder befremdlich den Wunsch zu haben, die Staumauer zu überwinden, um dabei bei diesem Bild zu bleiben, den Damm brechen zu lassen, sich erneut dem Strom zu übergeben, dem Fluss hinzugeben.

Es kann eine schmerzliche Sache sein, sich selbst zu erfahren. Ist es immer wieder. Schmerzlich und auch Heilsam und erlösend. Befreiend. Es ist ein Teil von Freiheit sich wirklich zu sehen  Es kann eine schmerzliche Sache sein, sich selbst zu erfahren. Ist es immer wieder. Schmerzlich und auch Heilsam und erlösend. Befreiend. Es ist ein Teil von Freiheit sich wirklich zu sehen.

Als ich beim Rockorchester anfing, hatte ich mir über viele Jahre ein musikalische Bild gemalt, ein Selbstbildnis geschaffen, ein Image aufgebaut, dass meiner Idee von mir und einem toughen, auf alle Regeln pfeifenden, begnadeten Rockmusiker entsprach, den die Umstände zu einem ihm unangemessenen Lebensstil verdammten. Obwohl ich zu diesem Zeitpunkt kein junger Mann mehr war, aus heutiger Sicht schon, hielt sich dieses Bild hartnäckig, entgegen der sonstigen Richtung, die ich eingeschlagen hatte. Durchaus auch konventionell und im steten Fluss bleibend. Ich war seit mehreren Jahren selbstständig, im Begriff eine solide Karriere aufzubauen (wie wunderbar altmodisch und bedeutungslos mir heute dieser Begriff erscheint)  in einer langjährigen Beziehung, mit sicherem sozialen Netzwerk und beendete gerade meine Ausbildung zum Restaurator im Handwerk. Völlig normal.

Ich weiß noch genau, wie mich, nach meinem ersten großen Gig mit dem ROR, im Festspielhaus Recklinghausen, Hans beiseite nahm und fragte, wie ich mich und den Auftritt denn gefunden hätte. Ich war mit dem festen Entschluss aufgelaufen, es allen zu zeigen, ihnen klar zu machen wie Rock`n`Roll und ne vernünftige, echte Bühnenperformance auszusehen habe. Während ich meinen Auftritt absolvierte, ich bin mir nicht mehr sicher welcher Song es war, machte ich den ersten Fehler, einen misslungenen Ausfallschritt, der entgegen seiner eleganten Idee, eher einem Hüpfer glich, etwas was dem Publikum wohl entgangen sein mag, mir aber meine selbstzufriedene Sicherheit raubte. Üblicherweise ist in Recklinghausen immer irgendein Debakel vorprogrammiert. Das ist Teil der Geschichte und gehört einfach dazu, begründet in dem Wunsch, das Jahr ganz besonders mit besonderen Songs, Ideen und Konzepten zu beenden, es noch einmal so richtig krachen zu lassen und zu begeistern. Völlig unnötig eigentlich, nicht das Neue zu suchen, sondern es so verkrampft erzwingen zu wollen, meist wenige Wochen vorher ohne ausreichende Probezeit.  In diesem Falle war es ein Dudelsackspieler der Mull of Kintyre von den Wings begleiten sollte, das ich zu singen hatte. Abgesehen davon, dass die Erhöhung der Tonlage zum Ende hin, meinen Stimmumfang überstieg und ich mich durch den Song quälte, einmal Zuviel… hier ich kann das… gerufen, selber Schuld, brach das Stück einen Halbton Differenz im gesamten Spiel, bedingt durch die Stimmung des vor sich hin quäkenden Dudelsacks, klassisch in Highlandmontur präsentiert, völlig in sich zusammen und der musikalische Supergau, das sinnlose Versacken und Ersterben eines Musikklassikers, endete in einer musikalischen Katastrophe. Mich erstaunt die beängstigende Wirkung nicht, die die mit Dudelsäcken vormarschierenden keltischen Krieger auf die römischen Legionen haben mussten, die zermürbende Wirkung setzt sofort ein. Vllt ist das aber auch bloß eine Legende und in die Welt der Sage zu verweisen. Zu unser aller Glück war das Publikum sehr gnädig und spendete großzügigen Applaus und der Abend schien dennoch gelungen zu sein.

Ich antwortete, dass hier und da etwas besser hätte laufen können und Hans schaute mich dabei intensiv an und meinte, das wäre es nicht, aber das Publikum könne mich nicht leiden. Ich war sprachlos und im gleichen Moment war mir die Wahrheit dessen, was ich hörte, klar. Im Bestreben, meiner Geschichte gerecht zu werden, in meiner ganzen und völligen Arroganz des scheinbar Besonderen, in meiner Überheblichkeit gegenüber des armen, spießigen Fußvolks, völlig verloren in der sinnlosen Bedeutungslosigkeit ihres erbärmlichen Lebens, hatte ich den ursprünglichen Zweck, den Musik hat und haben sollte, sträflich aus den Augen verloren. Natürlich ist Musik auch Selbstzweck, das eigene Medium und Spektrum des inneren Aufruhrs, der erfahrenen Ruhe und der gelassenen Freude.

Aber Musik ist auch mit die Beste, Wichtigste, Ehrlichste und Schönste Form des gemeinsamen Erlebens. Des Teilens und Zusammenseins. Wirklich „All“ (Weltall) umfassend und vereinend. Es ist das, was wirklich zusammenhalten, führen und eine Verbindung herstellen kann, die über alle Verschiedenheiten hinaus uns alle gleich macht, uns an die Hand einer gemeinsamen Mutter nimmt. Immer wieder ist es so unfassbar, das so riesige Menschenmenge so friedfertig Konzerte feiern, sich selbst zelebrieren und auf das Leben trinken. L´Chaim.

Ich habe diese für mich essentielle Lektion nie vergessen.

Es gab viele Wendepunkte dieser Art, um auf den anfänglich erwähnten schmerzhaften und schwierigen Prozess, der Selbstfindung und Selbsterfahrung zurück zu kommen. Wie ich gerade erst gestern zu erfahren bekommen habe, ist nicht jede in der Lage, wirklich seine Tiefen auszuloten. 

Bestimmt gibt es echte Altruisten, ohne den kleinsten berechnenden, egoistischen Funken in ihrer ursprünglichsten Form, der Hilfe Anderer ohne daraus einen Vorteil zu ziehen. Wirklich gute Menschen ohne Gutmensch zu sein. Diese Karikatur und Persiflage von Typen, deren pures Dasein einem die Zornesröte ins Gesicht treibt, von denen jede Äußerung von gängigen Klischees trieft, bei deren politischer Korrektheit einem die Galle hochkommt und deren affektierte, vorgetäuschte charakterliche Ehrlosigkeit einen Würgen und Mord und Totschlag als eine höchst erstrebenswerte, legale Lösungstrategie lästiger Probleme erscheinen läßt. Wenn die selbstlose Denk- und Handlungsweise, die Uneigennützigkeit, auch echt ist, im Geiste funktioniert und dieser wirklich restlos frei davon ist, ein erstrebtes Lob eben dieser Selbstlosigkeit, eine Aufmerksamkeit der uneigennützigen Anstrengung dennoch zu erwarten und dadurch doch noch eine Aufwertung des eigenen Egos zu erfahren, dann zolle ich diesen Menschen meinen tief empfundenen Respekt. Es gibt auch Menschen, soll es geben, irgendwo, niemand weiß es wirklich, die keines bösen Gedankens fähig sind. Wirklich reinen Herzens. Es muss und sollte sie geben. Daran möchte ich wirklich glauben und mich an diesem fest klammern. Ich denke, es ist kein Widerspruch reinen Herzens zu sein und sich dennoch den vielen kleinen und großen gedanklichen Gemeinheiten Lustvoll hinzugeben und in ihnen zu schwelgen, zum eigenen vergnüglichem Amüsement und ohne anderen Schaden hinzu zu fügen.

Aber fernab von diesen seltenen Pflanzen, sind wir voller Abgründe und Tiefen, bodenlos, dunkel, böse und gemein und ebenso Licht, leicht, groß und erhaben, rein, weise und gut. In der eigen kreierten Erzählung stechen meist die positiven Eigenschaften hervor, die negativen sind oft, auch auf eine direkte Frage hin, nahezu unsichtbar, schwer zu benennen und treten sie offen zu Tage, ist man oft geneigt sie zu relativieren und zu bagatellisieren.

Sich wirklich mit seiner dunklen Seite, den düstereren, unschönen Eigenschaften auseinander zu setzen, sich mit diesen vertraut zu machen, sie zu betrachten ohne davor zurück zu schrecken und die Tür gleich wieder angstvoll zu verschließen, mehrfach zu verriegeln, zitternd einen Vorhang davor zu ziehen und sie zusätzlich noch in den tiefsten Winkel des Gedankenkellers zu verbannen, erfordert sehr viel Mut. Viele möchten und wollen ihn nicht aufbringen. Viele können es nicht. Viele sehen keine Notwendigkeit dazu. Viele scheuen die Gefahr und den Verlust, den das Betrachten mit sich bringen könnte ohne die Kraft des Gewinnes und der möglichen Befreiung je zu sehen.

Das entstandene desperate und düstere Bild dieser dramatischen Szenerie, das eine Sequenz aus einem Star Wars Film entspringen könnte, hat für mich einen völlig gegenteilige Auswirkung auf meine Betrachtungsweise, auf die Wahrnehmung meiner eigenen Geschichte. Denn natürlich bewege ich mich immer noch in einer ganzen Reihe von Erzählungen, wenn ich mir auch sehr vieler, sehr bewusst bin und deren Entwicklung in und an mir selbst und meiner Rolle darin, skeptisch beobachte.

Ich möchte mir gerne über die Motive meiner Handlungen und meines Denkens bewusst sein. Es ist mir in dieser Phase der Analyse vorläufig objektiv egal, welchen Ursprung sie haben könnten. Ebenso wie ich versuche sachlich die Wirkung dessen zu erforschen was auf mich einwirkt, welche Gefühle es in mir auslöst, warum gerade diese entstehen und woher diese unglaubliche Menge begleitender Gedanken kommt, die auf mich einstürzen, bar jeglicher Kontrolle, eine Woge gleich, die alles umspült und jegliche Ratio mit sich reißt. Ich bin kein Kopfmensch, nicht vorrangig, eher sehr impulsiv, mutig und  leicht begeisterungsfähig, häufig meinem Gefühl folgend. Das kann oft sehr unbesonnen und unvernünftig wirken und tatsächlich haben sich viele Entscheidungen oft als falsch und vorschnell, als nicht gründlich durchdacht herausgestellt. 

Es ist sehr erleichternd und tröstend festzustellen, dass auch scheinbar vernünftige, analysierte, kalkulierte  und weitestgehend abgesicherte Entscheidungen oft das gleiche Endergebnis zeigen. Der Zufall ist unberechenbar und kann sich, einer Waage gleich, zu beiden Seiten heben oder senken. Es ist soviel mehr zufällig als wir glauben und es uns wünschen. Soviel weniger kontrolliert und von ganz anderen Faktoren abhängig, als es dem Kontrollsystem in unserem Kopf liebe wäre.

Stellt man sich seinen inneren Dämonen, den unangenehmen oft schockierenden Wahrheiten und Wünschen, Phantasien und Begierden, die sich in unserem Inneren verbergen, versucht man sich der Motive, des Ursprungs seines Denken und Handelns zu nähern, seiner Befindlichkeiten, seiner Verletztheit, seiner Zartheit, Sorge und Furcht, dann kann man sein Herz wahrhaftig öffnen, wirklich damit beginnen aufzunehmen und zu sehen. Das macht es nicht unbedingt leichter. Im Miteinander, in der zwischenmenschlichen Interaktion, führt es nicht zur gewünschten Klarheit. Es wird immer schwieriger, Position zu beziehen, eindeutige Urteile zu fällen. Es ist wie in dem zitierten Zitat von C. G. Jung. Es macht immer unsicherer. Das ist weder gut noch schlecht. Es macht offen und dadurch auch ein Stück weit frei. Versucht man sich in eine andere Person hinein zu versetzen, mit dem ganzen Wissen um die vielen eigenen Beweggründe und Wirkungsweisen, Schutzstrategien und möglichen Verhaltensmustern, fällt es schwer, sowohl zu verdammen, als auch zu verherrlichen. Selbst im Zorn und ehrlicher Entrüstung über das Verhalten des Gegenübers, schleicht sich ein latentes Verständnis ein, eine Ahnung von dem Gefängnis, in dem der Andere steckt. Das Muss seiner Beweggründe. Oftmals wirklich niederen Instinkten folgend, mit dem klaren und eindeutigen unbewussten Wunsch zu verletzen, zu zerschlagen, zu zerstören, zu erniedrigen und weh zu tun. Oftmals auch im völligen Bewusstsein, dessen was man da gerade anrichtet und welch verheerende Auswirkungen das haben kann.

Auch hier fallen mir klare Urteile schwer. Ich kann mich dem nur entziehen, wissend, dass ich das von anderen nicht für mich will, nicht erleiden möchte, solch machtvolle negative Energie, solch boshafte Niedrigkeit an mir zuzulassen und mich dem stellen zu müssen. Gleichwohl kann ich es nachvollziehen. Habe ein Stück weit Verständnis für diese primitive Form der Genugtuung, diesem momentanen krankhaftem Glücksgefühl, das aus einem solch grausamen Rundumschlag resultieren kann und das Gemeine in uns befriedigt. Die eigene Verletztheit, das eigene Gefühl des Zurückgestoßenseins, das persönliche Gefühl des Unwertes, hinter einem brutalen und rücksichtslosen Angriff, einem Seelenmassaker gleich, zu verbergen.

Zurück bleibt dann das deutliche Gefühl, einen Schritt zu weit gegangen zu sein, eine Grenze überschritten zu haben, von der es kein zurück mehr gibt. Früher verspürte ich da oft eine dunkle Wolke über mir. Die ist zum Glück nur noch ganz selten da. Ich kann sie mittlerweile gut betrachten und mit ihr umgehen. Ängstigen tut sie mich immer noch, sowohl bei mir, als auch bei anderen. Vllt ist es diese Angst, die mich versuchen lässt zu verstehen, ohne dies je restlos zu können, wie alles eigentlich nie ganz zu erfahren und zu umfassen ist. Ich habe da eine Form des inneren Frieden finden können. Glaube ich.


Fortsetzung folgt ;)




The Sheep

 
 
 
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